Ein Neubeginn „mit gewissem Spielraum“
FESTSPIELE / JEDERMANN
17/11/23 Dass Philipp Hochmair der neue Jedermann sein wird, ist ja ganz rasch durchgesickert, nachdem vor drei Wochen unversehens publik wurde, dass der Jedermann von Michael Sturminger mit Michael Maertens in der Titelrolle vorzeitig aus dem Programm gekippt wird. Das hat die Festspiele auf dem falschen Fuß erwischt.
Von Reinhard Kriechbaum
Die Jedermann-Neuigkeiten tun die Festspiele stets in Wien kund. Heute Freitag (17.11.) war es so weit. Newswert hat der Name der Buhlschaft. Es ist die 32jährige Schweizerin Deleila Piasko. Der Kanadier Robert Carsen als neuer Regisseur ist ja auch bereits vorab publik geworden.
Aufgrund der PR-Misere rund um den Jedermann hat Intendant Markus Hinterhäuser nochmal seine Sicht auf die Dinge klargelegt. Einiges in den Medienberichten sei „richtig und nachvollziehbar“ dargestellt worden, „manches zweifelhaft“. Für die Festspielleitung habe sich nach drei Sturminger-Inszenierungen in sieben Jahren die Frage nach Entwicklungsperspektiven gestellt. „Dinge kommen zu einem Ende, dann muss man Entscheidungen treffen.“ Zu euphorischem Dank an Sturminger hat Hinterhäuser sich auch diesmal nicht hinreißen lassen.
Was nun mit dem alten Team und eventuellen Entschädigungen passiert? Diese Journalistenfrage wurde weitergereicht an Lukas Crepaz. „Wir sind in Gesprächen“, so der Kaufmännische Leiter der Festspiele. Es gelte für jeden Einzelnen genau abzuklären, „in welchem Stadium die Vereinbarungen waren“. Hinterhäuser kalmiert jedenfalls: „Alle, die Anspruch haben, werden wir so entschädigen, wie es sich gehört“, niemand werde sich „ungerecht behandelt fühlen müssen“. Ob er als Intendant eigentlich mitrede bei der Jedermann-Besetzung? Hinterhäuser beschrieb den Vorgang der Schauspielerwahl als kollektive Entscheidung. „Das Ensemble basiert auf Vorschlägen von uns in der Auswahl von Robert Carsen.“
Wen also hat Carsen gewählt? Andrea Jonasson wird im kommenden Sommer Jedermanns Mutter, Dominik Dos-Reis der Tod, Kristof van Boven der Mammon, Julia Windischbauer der Glaube. Joseph Lorenz wird der Schuldknecht sein, Nicole Beutler des Schuldknechts Weib, Christoph Krutzler der Dicke Vetter.Es gibt auch wieder Doppelbesetzungen. So spielt Christoph Luser den Guten Gesell und den Teufel. Kathleen Morgeneyer ist erst der Arme Nachbar, dann schlüpft sie insKostüm der Guten Werke. Gott der Herr scheint sich noch nicht offenbat zu haben, auch nicht der Dünne Vetter.
So wie im Vorjahr Michael Maertens einen Zweijahres-Vertrag als Jedermann bekommen hat, ist man auch mit Philipp Hochmair für zwei Jahre handelseins. „Alle anderen Verträge haben einen gewissen Spielraum“, so Markus Hinterhäuser etwas nebulos. „Wir wollen einen Beginn machen und dann Schlüsse ziehen.“
Philipp Hochmair wurde natürlich gefragt, ob seine bisherige intensive Beschäftigung mit dem der Rolle (als Einspringer für Tobias Moretti 2018 und mit seiner Rockband Die Elektrohand Gottes) einfließen werde in die bevorstehende Inszenierung? „Keine Ahnung, wohin sich der Prozess entwickelt“, so Hochmair. Klar, dass auch die neue Buhlschaft zu dieser „aufgeladenen Rolle“ vorerst kein Statement abgibt. „Ich versuche, möglichst frei und unvoreingenommen in diese Rolle hinein zu gehen.“
Regisseur Robert Carsten hat sehr ausführlich über sein Verhältnis zu Hofmannsthal dargelegt. Schon als junger Regieassdistent in London sei er damit konfrontiert gewesen, eine literarische Übersetzung der Ariadne anzufertigen. Unterdessen hat er sechs der sieben Opern von Richard Strauss auf Hofmannsthal-Libretti inszeniert (den Rosenkavalier 2004 in Salzburg), er fühle sich also sehr vertraut mit dem Dichter. Dessen Jedermann-Knittelverse sieht er, der vor allem als Opernregisseur in Erscheinung tritt, auch als musikalische Option.
Damit trifft er sich übrigens mit der neuen Schauspielleiterin der Festspiele. Marina Davydova hat sich zu den aktuellen Querelen um die Absetzung der Inszenierung erwartungsgemäß überhaupt nicht geäußert. Was den Jedermann grundsätzlich betrifft, so will sie dieses Stück weggerückt von der eher touristischen Festspiel-Anmutung sehen. Er sollte – so wie die Strauss-Opern auf Hofmannsthal-Texte – eher in den Kanon der internationalen Theater überführt werden.
Bilder: dpk-krie