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Delikatesse in Pianissimo und Fortissimo

FESTSPIELE / GRIGORIAN / GENIUŠAS

17/08/23 Dass 2023 ein „Rachmaninov-Jahr“ ist, ist bisher nicht aufgefallen. Umso spannender der Liederabend von Asmik Grigorian und ihrem Klavierpartner Lukas Geniušas mit einem reinen Programm des bekennenden Spät-Romantikers zum  . Dieser hat – Adorno hin, her und zum Teufel – ein spannendes Lied-Oevre hinterlassen.

Von Heidemarie Klabacher

86 Lieder in sieben Werkgruppen, entstanden zwischen 1890 und 1916, sind es insgesamt. Gehört hat man hochstens da und dort einmal das eine oder andere in einem „russischen“ Programm. Asmik Grigorian und Lukas

Geniušas spannten einen Bogen vom ersten bis zum letzten Lied, interpunktiert von Klavierstücken oder Bearbeitungen Rachmaninovs für Klavier. Dass dadurch „nebenbei“ mit Lukas Geniušas ein wunderbarer Pianist kennenzulernen war, virtuos in Technik und Gestaltungskraft, ist zu vermerken.

Darf ein Komponist mit den Lebensdaten 1873 bis 1943 von Liebe, Sehnsucht, „mondhellen schlaflosen Nächten“ oder dem „endlosen Blau des dunkelnden Himmels“ spintisieren? Natürlich darf er. Wenn auch der Gesamtsound durchaus „romantisch“ daherkommt: Richard Strauss' (1864 bis 1949) Lieder sind bestenfalls formal eine Spur komplexer, aber keinen Deut weniger „romantisch“. Zwischentöne, existentielle Not oder geradezu blindwütig ausgelebte Emotion geben den Liedern Rachmaninovs Tiefe, in den späten sind Brüche und Verwerfungen in Musik gefasst. „Spät“ ist dabei relativ: 1917, also während der Oktoberrevolution, kehrte Rachmaninov von einer Konzertreise in Schweden nicht mehr zurück seine Russische Heimat zurück, 1921 emigrierte er in die USA. Alle Lieder waren bis 1916 geschrieben.

Wie spannend eine weitere Entwicklung des Liedkomponisten hätten vielleicht werden können, machten Asmik Grigorian und Lukas Geniuša mit dem gespenstischen Fragment von Alfred de Musset op. 21/6 und dem letzten Lied Sergej Dissonanz op. 34/13 deutlich. Adorno und seine Apostel wären nie mit ihm zufrieden geworden, aber hochkomplexe Emotionen lassen sich auch im Rahmen der Tonalität facettenreich ausmalen.

Die Expressivität Asmik Grigorians scheint den Rahmen der Vorgabe „Liedgesang“ nur scheinbar zu sprengen. Phrasen in delikatestem Pianissimo, egal in welcher „Höhenlage“ singt sie mit geradezu überirdischer Klarheit und Geradlinigkeit. Phrasen dramatischen Aufruhrs singt sie, ebenfalls egal in welcher Lage, mit Fortissimos, wie sie auch auf der Operbühne das Publikum vom Hocker reißen würden – bei nicht weniger Geradlinigkeit und Klarheit. Es ist ein Wunder. Lukas Geniušas gestaltet die Klavierparts ebenso minutiös zwischen grandiosem Aufrauschen und feinstem Perlen. Ein überwältigender Abend.

Bilder: SF / Marco Borrelli

 

 

 

 

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