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Bei den Luftmaschen ist Luft nach oben...

FESTSPIELE / CAMERATA SALZBURG / KOPATCHINSKAJA

15/08/23 … sonst war das Konzert der Camerata Salzburg mit der Erzmusikantin Patricia Kopatchinskaja eines der fröhlichsten und virtuosesten „ever“. Mozart, Ligeti, der ganz junge Mendelssohn, Schnittke und die unbändige PatKop mixten einen kunterbunten musikalischen Spass.

Von Heidemarie Klabacher

Eine wuselt mit dem Stauwedel, einer werkelt mit dem Staubsauger. Einige lesen, einige schauen Handy oder machen Fotos. Grüppchen in angeregtem Geplauder. Gläser, Blumentopf, Flaschen. Notenpulte auch. Links hinten oben, wo im Falle eines Chorkonzertes die Soprane stehen, ein Bügelbrett. Dahinter die Kopatchinskaja heftig telefonierend und bügelnd. Ein Spieltischchen in der Gegend der Pauken. Ein rotes Sofa. Alles auf der Bühne im Großen Saal des Mozarteums und absolut dramaturgisch stimmig: Auf dem Programm steht die Living Room Music für Schlagzeug- und Sprech-Quartett von John Cage. Deren vier Teile To Begin / Story / Melody / End werden über den Abend verteilt erklingen und zum Beweis dafür dienen, dass jedes einzelne Mitglied der Camerata Salzburg auch ein hervorragender Schlagzeuger ist. Wie von John Cage „vorgeschrieben“ ist das Instrumentarium frei zu wählen (zwischen Hausrat und Gebäudeteilen ist jedweder Klangkörper erlaubt). Dass statt vier Solisten ein ganzes Kammerorchester loslegt, hätte dem Komponisten sicher gefallen.

Stücke wie Living Room Music waren natürlich kein Scherz, sondern zu ihrer Entstehungszeit subversive Aufforderungen zum kompositorischen Ungehorsam, waren raffinierte hochkomplexe Aufforderungen zum Experiment und Beschreiten neuer musikalischer Wege. Während die Cage-Minaturen „heute“ als Scherz herüberkommen (wenn da etwa vier hochqualifizierte Musikerinnen und Musiker ersten Sinnes rhythmisch mit alten Zeitungen raschlen), amüsieren oder befremden uns „Heutige“, von der zeitgenössichen Musik ganz anderes gewohnt, die Disharmonien und formalen Disbalancen in Mozarts Dorfmusikantensextett gar nicht mehr. Das Publikum lacht beim Musikalischen Spaß für zwei Violinen, Viola, Bass und zwei Hörner F-Dur KV 522 eigentlich nur, wenn die Hornisten ihre kunst- und anspruchsvollen „schrägen“ Harmonien blasen.

Irgendwo und genau dazwischen: Alfred Schnittkes Moz-Art à la Haydn. Spiel mit Musik für zwei Violinen, zwei kleine Streichorchester, Kontrabass und Dirigenten. Bevor es im Trubel vergessen wird: Konzertmeisterin Candida Thompson vor den Vorhang! Alle Hände voll zu tun hat Patricia Kopatchinskaja, die mit Stimme, Violine und Leitung (bügeln nicht zu vergessen) schon ausgelastet wäre, aber auch noch mit den anderen Pulte herum- oder ihren eigenen Trommelmistkübel hinausträgt.

Die Living Room-Atmosphäre bleibt erhalten: Während ein Gutteil der Camerata mit der Kopatchinskaja und Candida Thompson Schnittke spielt, lesen, häkeln oder handyspielen die anderen ruhig weiter. Überhaupt lässt man sich von der Musik nicht stören.: Bis Patricia Kopatchinskaja und Christoph Gaugl sich mit den vier Ghiribizzi (Schrullen) aus der Feder von von „PatCop“ Gehör verschaffen, dauert es eine Weile. Dann fegen sie los mit den vier kurzen, dafür umso energiegeladeneren Duetten für Violine und Klarinette.

Des 13jährigen Felix Mendelssohn Bartholdys Konzert für Violine und Streichorchester d-Moll ließen Solistin und Orchester mit mitreißendem Drive, stupender Virtuosität und so manchem stilistischen Freiflug vorüberrauschen. Ernst wurde es dann mit Ligeti und einer Kopatchinskaja-Fassung von Teilen aus Le Grand Macabre. Die Autohupen aus dem Vorspiel zum ersten Bild für zwölf Autohupen und sechs Türklingeln durften sich voll entfalten (der Saal ist eh frisch renoviert, wenn auch das neue Licht blendet und überhaupt grauenhaft ist). Noch lange weitermachen können hätten sie in der Art der Mysteries of the Macabre, drei Arien aus Le Grand Macabre eingerichtet von Elgar Howarth und Patricia Kopatchinskaja. Auch das kein „Scherz“ und trotzdem natürlich urkomisch. Einfach ein lustiger bunter Abend. Da capo! Und die Luftmaschen aus dem Titel? Die wurden von der Soloflöte gehäkelt wenn sie nicht dran war. Mit Ernst und Konzentration.

Bilder: SF / Marco Borrelli

 

 

 

 

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