Der Kopfhörer, das wär's!
FESTSPIELE / PING PONG
08/08/23 Wer wollte nicht dazugehören zu einer coolen Clique? Etwas „Krasses“ solle sie tun, haben die Freundinnen gesagt, als Beweis der Coolness. Aber was ist schon „krass“? – In den szenischen Produktionen auf der Schiene jung & jeder der Festspiele geht’s heuer ganz unmittelbar um die sozialen Lebenswelten junger Leute.
Von Reinhard Kriechbaum
In Fiesta können die Kinder nicht zueinander kommen, weil ein Wirbelsturm wütet und sie in Hausarrest verharren müssen. In Ravels Oper Das Kind und die Zauberdinge verspürt ein Mädchen aus elitärem Hause das dringende Bedürfnis, mit Gleichaltrigen draußen Kontakte zu knüpfen. Ping Pong, ein von den Festspielen in Auftrag gegebenes Musiktheater, richtet sich an Jugendliche ungefähr im Pubertätsalter. Da ist der Wunsch, irgendwo dazu zu gehören, besonders drängend. Esra (Sophie Negoïta) soll also eine Art Aufnahmetest bestehen. Etwas „Krasses“ soll sie liefern. Erwachsene würden sagen, eine Dummheit begehen.
Esras Blicke fallen auf Vlad (Máté Herczeg). Dessen ganzer Stolz sind die neuen Earphones, die er unter keinen Umständen hergeben würde. Esra versucht's mit Bitten und Schmeicheln. Der Disput zwischen den beiden Jugendlichen eskaliert. Ein Faustschlag schafft klare Fronten, Esra hat jetzt den tollen Kopfhörer, aber er hat ein Handy-Video... Ein Tischtennismatch soll helfen, die Fronten zu klären, aber auch das geht nicht ohne Fouls seitens der Mädchen ab. Esra bekommt Schützenhilfe von der Clique. Da werden werden aus der E-Gitarristin und der Saxophonspielerin Mitspielerinnen.
So brutal kann's also zugehen beim Ping Pong, sogar Blut fließt. Gruppendruck und soziale Kompetenz gehen nicht so ohne weiteres zusammen. Die Geschichte (Libretto: Stephanie Schiller) geht natürlich gut aus (für beide Seiten), erstaunlich unkompliziert. Freunde fürs Leben werden die beiden nicht, das darf man ruhig vorab verraten.
Die Komposition von Mischa Tangian bedient sich ausgiebig an Pop und Rock und ist doch ganz und gar Neue Musik. Das hat nichts Anbiederndes und regt wohl auch die musikalische Fantasie der zuhörenden Teenies an. Die beiden singenden Protagonisten haben am Mozarteum studiert.Ganz selbstverständlich wechseln sie zwischen Singen und Sprechen, man versteht jedes Wort.
Annika Haller (Regie und Bühne) hat logischerweise einen Tischtennistisch auf die Bühne gestellt – so ein Ding wie man es auf Spielplätzen findet, aus stabilem Beton mit perforiertem Blechband anstatt mit Netz. Müssen ja im echten Leben vermutlich auch viel aushalten, solche Tische. Projektionen zeigen die coole Esra im Tanz mit eigenartigen Wuschel-/Kuschel-Monstern. Mag schon sein, dass Kraft-Wesen in der pubertären Vorstellung auch so aussehen. Da kann der Schreiber dieser Zeilen nicht mehr mitreden, das Ping Pong-Team ist altersmäßig deutlich näher dran an der Zielgruppe.