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Glück mit Gluck

FESTSPIELE / ORFEO ED EURIDICE

05/08/23 Der Besprechung der umjubelten Pfingst-Premiere von Orfeo ed Euridice am 26. Mai ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Die bildkräftige, zeitlose und ohne billige Gags auskommende Inszenierung von Christof Loy ist höchstens in manchen Details noch ausgefeilter geworden. Zu Recht endete auch die Wiederaufnahme am Freitag (4.8.) im Haus für Mozart mit stehenden Ovationen.

Von Gottfried Franz Kasparek

Kann es sein, dass die zelebrierten stummen Auftritte der um Eurydike Trauernden am Beginn und gegen Ende dieser erfüllten eineinhalb Stunden großen Musiktheaters noch eindrucksvoller sind als zu Pfingsten? Christof Loy, sein eigener Choreograf, lässt jedenfalls wieder die Rituale wirkungsvoll ausspielen, die Furien effektvoll über die Treppen des ebenso einfachen wie atmosphärischen Bühnenbilds von Johannes Leiacker stürmen und die seligen Geister in bunter Verträumtheit lustwandeln. Im Graben sind wiederum „Les Musiciens du Prince-Monaco“ mit pulsierender Dramatik und fein ausgehorchten Bläsersoli zugange. Gianluca Capuanos Dirigat erscheint in den wilden Tänzen noch geschärfter und in den pastosen noch einfühlsamer, die Tanzgruppe ist bewundernswert in ihrer belebten Perfektion. Die von Jacopo Facchini einstudierte Chorvereinigung „Il Canto di Orfeo“ glänzt stählern in den scheinbar unerbittlichen „No“-Rufen der Unterweltgeister, wenn Orpheus auf Anordnung Amors Einlass begehrt und ist ergreifend im späteren lyrischen Mitgefühl.

Glück mit Gluck also und ein Beweis dafür, wie „modern“ und gleichzeitig stimmig eine antike Geschichte auf die Bühne gebracht werden kann, wie sehr ein Mythos aus der Tiefe der Vergangenheit heute noch zu berühren vermag. Denn was sich da im zweiten Teil, nach ausgiebiger Trauer und Amors belebendem Auftritt (mit exquisiter Sopranpoesie Madison Nonoa) zwischen Orpheus und Eurydike abspielt, ist an keine Zeit gebunden, sondern spiegelt die Probleme menschlicher Partnerschaft und verzweifelter Liebe, die zwar im neuen Kostüm auftreten, aber in der alten explosiven Emotionalität unsterblich sind. Das Missverstehen führt zum letalen Ende.

Orpheus schreitet am Ende in das dunkle Tor. Amor kommt nicht wieder, der Deus ex machina hat ausgedient, auch wenn er zu Glucks Zeiten noch eine Konzession an das Publikum gewesen ist.

Mélissa Petit ist wieder die wunderbare, selbst im Verlöschen noch bezaubernd jugendlich wirkende, ihr Leid mit sensiblem Sopran formulierende Eurydike. Ist dies nicht auch ein erster romantischer Liebestod, den sie als Wiedererweckte sterben muss? Das Zusammenspiel aus Umarmung und Verweigerung mit Orpheus ist nicht nur gesanglich, sondern auch darstellerisch ein Erlebnis. Cecilia Bartoli, absolut glaubwürdig als Mann Orpheus, wächst immer noch mehr in eine hoch expressive, dabei aber stets intensiv geformte Kunst der Gestaltung hinein, die zum Erbe der großen Tragödinnen der italienischen Oper zählt. Und was die Bartoli singt, muss gar nicht mehr immer schön klingen, denn es ist immer wahr und greift ans Herz, kulminierend im großen, zwischen Belcanto und Verismo schwebenden, endgültigen Klagegesang.

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Bilder: SF / Monika Rittershaus
 Zur dpk-Besprechung der Premiere bei den Pfingstfestspielen
„Ach, ich habe sie verloren...“

 

 

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