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Tasten-Kosmos

FESTSPIELE / IGOR LEVIT

01/08/23 Mit Beethoven, Schubert, Brahms und Liszt – und einer delikaten Bach-Zugabe – durchmaß Igor Levit im Großen Festspielhaus den „Kosmos Klavier“. Sternen-Geburt- und Tod inklusive.

Von Heidemarie Klabacher

Die „Dante-Fantasie“ ist der rechte Spielgrund für Klangfolter mittels Tritonus. Auch wenn des Teufels Intervall uns Heutigen längst ohne Schauer beim einen Ohr hinein und beim anderen hinaus geht – die Schauerwirkung ist noch immer da... Igor Levit und Après une lecture de Dante. Fantasia quasi sonata S. 161/7 aus Années de pèlerinage II (Italie) von Franz Liszt: Da sind die abstürzenden Quarten so scharf modelliert, dass selbst die zuhörenden Sünder auf halbwegs weicher aber verdammt enger Bestuhlung sich blutige Wunden an den Felszacken im Höllentrichter zu holen scheinen. Da scheint der Triumph-Choral für den gefallenen Engel Luzifer den Allerhöchsten gleich „mitzumeinen“. Da scheint der ferne Klang des Paradieses jedem Inferno den Schrecken zu nehmen. Scheint. Denn Igor Levits machtvoller Zugriff ist wie immer so differenziert, dreht sich nicht selten auf einem einzigen Akkord in einer rasenden Kaskade abwärts um die eigene Achse – um statt Verdammnis Erlösung zu verkünden. Oder umgekehrt.

Wenn schon die Kosmologie für Klaviermetaphern strapaziert werden soll: Pure Energie, präzise formuliertes, gestochen scharf artikuliertes Geflimmer das eröffnende Allegro con brio von Beethovens Sonate für Klavier Nr. 21 C-Dur op. 53. Dagegen war die darauffolgende Introduzione der Waldsteinsonate in der Lesart von Igor Levit ein gefühlt Jahrtausende währender Prozess der Sternwerdung: Einzelne Gas-Teilchen – Töne – kommen von weiß Gott woher. Begegnen einander. Verschmelzen miteinander zu Harmonie. Druck im Inneren des fragilen Klanggebildes und Energieniveau steigen. Das ganze stabilisiert sich und beginnt zu Leuchten... Atemberaubend. Darauf das Rondo Allegretto moderato mit seinem scheinbar so schlichten und geradlinien Thema, mit dem sich ganz extrovertiert Triumph und Sieg genauso betörend ausmalen lassen, wie Erhabenheit von Mensch und Natur; oder ganz introvertiert Nachdenklichkeit und Zweifel. Igor Levits Differnzierungskunst ließ einmal mehr den Atem stocken.

Das gilt auch für die unvergleichlich subtile und facettenreiche Wiedergabe von Franz Schuberts Moments musicaux D 780. Da wurden die sechs berühmten und bekannten Nummern zu reich differenzierten psychologischen „Momenten“ zwischen Licht und Schatten. Die zurückhaltende, bei aller Virtuousität ganz und gar „nicht virtuosenhaft“ sich gebende Delikatesse, die Igor Levit Johannes Brahms Sieben Fantasien op. 116 zudachte, war ebenso überwältigend.

Wie schon öfter mal dankte Levit – diesmal erst nach besonders nachdrücklicher Aufforderung durch Jubel – dem Auditorium mit einem der Choralvorspiele Johann Sebastian Bach/Ferruccio Busoni. Das waren genau die Töne, die dem einen Abend lang ausgespannten Kosmos letzte Glanzpunkte aufsetzten und das ganze bunte Treiben zur Ruhe brachten.

Bilder: SF / Marco Borrelli

 

 

 

 

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