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Halber Thunfisch ≠ Ganzer Figaro

FESTSPIELE / LE NOZZE DI FIGARO

31/07/23 Seit Corona und Netflix wissen wir alle, wie Drogen-Szene geht. Wie Kartellchefs in Mexiko und Kolumbien ticken. Wie Handlanger spuren. Leute exekutiert werden. So halbherzig jedenfalls nicht, wie Regisseur Martin Kušej es dem Festspielpublikum nahelegen will. Noch hat das Salzburger Sevilla-Kartell ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Von Heidemarie Klabacher

Graf Almaviva als eleganter Narco. Figaro als dessen rechte Hand und Mann für's Grobe. Basilo als Clan-Geistlicher – fromm sind sie ja oft, die bösen Leute – mit Buffn im Gitarrenkoffer. Cherubino als künftiger Mitarbeiter, der noch ein wenig zurecht gestutzt werden muss. Alle, auch die Damen, tragen Schießzeug und Suchtgift bei sich.

Das Schloss wurde von Ausstatter Raimund Orfeo Voigt in ein funktionelles Beton-Hotel umgebaut. Zimmer, Serviceräume und Gänge lassen sich – wenn auch mit recht lautem Getöse der Bühnentechnik – kunstvoll ineinander schachteln. Gefeiert wird in der Tiefgarage. Wichtig das Müllkammerl, denn niemand will seine Leichen und Folteropfer in der Bel-Etage herumliegen haben. Stilvoll, fast gemütlich, ist die Bar, wo in fröhlichem Suff Marcellinas Ehe-Rechts-Fragen in Bezug auf Figaro verhandelt werden.

Im vergammelten Garten werden die Beziehungs-Probleme final und beinah letal abgehandelt (nur knapp entkommen Gräfin, Susanna & Co der Exekution durch die Schergen des Grafen). Namenlos die Mädchenleichen, die das Personal im Hintergrund herumschleppt. Mädchen- geht mit Drogenhandel ja oft Hand in Hand. Den spürbar angestrebten Realismus auf der Bühne können Film und Serie besser. Absurde Momente gehören in den großen lateinamerikanischen Narco-Serien zwingend dazu. Ob der Thunfisch zum Hochzeitsgelage im dramaturgischen Sinne „absurd“ sein will, erschließt sich nicht. In Summe eine viel versprechende Idee Martin Kušejs für ein Konzept, das in seiner (sicherheitshalber?) auf das Umfeld Rücksicht nehmenden Halbherzigkeit – noch – nicht recht überzeugen will. Man möchte das wirklich gerne als echte Narco-Oper noch einmal sehen.

Auch die musikalische Realisierung (besucht wurde die zweite Aufführung) ließ, für eine Festspielproduktion, doch erstaunlich viele Wünsche offen. Der französische Dirigent Raphaël Pichon ließ die Wiener Philharmoniker recht einheitlich beherzt in der Lautstärke aufspielen. Irgendwie gut sind die ja immer. Wirklich erfreut haben, sofern hörbar, wunderschöne Fioraturen des Hammerklaviers.

Das Vokal-Ensemble bot in allen Partien solide Leistung. Andrè Schuen gibt einen, auch stimmlich, eleganten Conte di Almaviva, in allen Machenschaften, und auch stimmlich, nach Kräften unterstützt von Krzysztof Bączyk als Figaro. Darstellerisch und stimmlich wendig brillierte Lea Desandre als Cherubino. Die „Rosenarie“ von Sabine Devieilhe als Susanna bot betörende Sopranmomente. Musikalisch-sängerisches Herzstück der Aufführung war die Arie Dove sono gesungen von Adriana González als Contessa di Almaviva.

Sechs weitere Aufführungen bis 28. August - Übertragung am 10. August, 20.15 Uhr, ServusTV - www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: SF / Matthias Horn

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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