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Massenpsychose durch Hexenzauber

FESTSPIELE / TRIFONOV

28/07/23 „Ein Stück Zauberei, ein Zeugnis schwarzer Magie erhellt von den Strahlen einer schwarzen Sonne.“ So beschrieb Alexander Skrjabin seine fünfte Klaviersonate. Und Daniil Trifonov hat sie genau so gespielt – als fantastisches Hexenwerk pianistischer Virtuosität. Höhepunkt eines fantastischen Abends mit Fantasien zwischen Klassik und früher Moderne.

Von Heidemarie Klabacher

Skrjabins Sonate für Klavier Nr. 5 Fis-Dur op. 53 ist ein einziger Taumel zwischen Ekstase und Träumerei. Zwischen Energieausbrüchen und elegischen Anfällen. Mit gewohnter Feinziselierung in Lautstärke, Dynamik und Agogik verleiht Trifonov selbst wüsten Ausbrüchen betörende Facetten, und stille Momente schillern in allen Klang-Farben des pianistischen Regenbogens.

Technisch noch einen Tick aberwitziger ist das dritte der drei musikalischen Gedichte in Maurice Ravels Gaspard de la nuit - Trois Poèmes pour piano d’après Aloysius Bertrand. Das erste Stück im Nachtwächter-Triptychon erzählt von der Wassernixe Ondine, ist schwebendes Fließen, fließendes Schweben, in der Lesart Trifonov von keiner unterirdischen Strömung irritiert. Die Leiche in Le Gibet, der Galgen, baummelt nachdenklich im Winde. Den aberwitzigen Kobold Scarbo hält Daniil Trifonov mit allen aufzubietenden pianistischen Techniken im Zaum.

Dabei hat der Abend im Großen Festspielhaus mit dem Kinderalbum op. 39 von Peter I. Tschaikowski ganz unschuldig angefangen. Mit den 24 Minituaturen wollte Tschaikowski die musikalische Kinderliteratur, „die sehr arm ist“, bereichern. Minizyklen erzählen etwa von Krankheit und Begräbnis der alten und – mit hüpfender Freude – Ankunft der neuen Puppe. Genre-Liedchen aus Russland, Italien, Frankreich oder Deutschland macht Daniil Trifonov zu un-nationalistischen Nationalitätenporträts. Mit zwei großen Russen am Anfang und Ende des Solistenkonzerts scheint der Pianist ein unaufgeregtes Statement gesetzt zu haben.

Fast zu monumental innerhalb dieser formal „kleineren“ Fantastereien war Robert Schumanns Fantasie C-Dur op. 17. Der Komponist malt in epischer Breite – himmelhochjauchzendzutodebetrübt – seine amourösen und sonstigen Befindlichkeiten aus. Und Daniil Trifonov begegnet den Schumann'schen Exaltiertheiten mit tiefenpsychologischem, fast Gespür. Und Mozarts Fantasie c-Moll KV 475, zu ihrer Zeit auch radikal? Ein Ruhepunkt im Hexenreigen.

Der im Auftreten so zurückhaltende Virtuose hat 2200 Menschen auf den Blocksberg entführt. Die Begeisterung des Publikums grenzte an Raserei. 

Bilder: SF / Marco Borrelli

 

 

 

 

 

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