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Das Licht der Verheißung

FESTSPIELE / ET LUX

26/07/23 Welch ein wundersamer Abend in der Kollegienkirche! Im Rahmen der Ouverture spirituelle erklang am Dienstagabend (25.7.) Wolfgang Rihms ET LUX, eingeleitet durch drei kurze Motetten von Orlando di Lasso. Es war eine gute Stunde verinnerlichter Meditation über die „letzten Dinge“, in der 450 Jahre Musikgeschichte miteinander verschmolzen.

Von Gottfried Franz Kasparek

Was der Großmeister der franko-flämischen Schule gegen 1558 an chromatischer Kunst und Kraft der Empfindung vorgegeben hatte, erfüllte der Großmeister der gemäßigten Moderne anno 2009 mit zeitloser Schönheit. Orlando di Lassos Motetten aus der Sammlung Prophetiae Sibyllarum führten direkt in die kontrapunktisch fundierte, jedoch trotz subtiler Textausdeutung und komplexer Textur der Musik freie Phantasie Wolfgang Rihms über das katholische Requiem. Während in den großen Totenmessen der Klassik und Romantik in der Regel das Dies irae ein Höhepunkt ist, wird bei Rihms wahrlich „in sich dehnender“, aber erfüllter Zeit erklingender Tondichtung für Vokalensemble und Streichquartett die Vorstellung des ewigen Lichtes zu einer magischen Weihestunde der Trauer und des Trostes.

Das Jüngste Gericht, für Rihm eine „naive“ Vorstellung, spielt da kaum eine Rolle und wird nur angedeutet. Der Text, zitiert und oft in Wortteile aufgelöst, konzentriert sich auf Libera, Lacrimosa und eben Lux, das nie erlöschende Licht der Verheißung. Eine Stunde voll leiser, immer wieder in eigenartig romantisch grundierte Sphären führender, nur selten und bloß andeutend dramatischer Klanglichkeit.

„In kreisenden Reflexionen werden die sowohl tröstlichen als auch tief beunruhigenden Schichten dieser Worte vielleicht spürbar“, schreibt der Komponist, der auf melodische Motive ebenso wenig verzichtet hat wie auf sich sensibel verwandelnde Variationstechniken und den meisterhaft beherrschten Zauber des Wechselspiels von Dissonanz und Konsonanz. Expressivität findet statt, aber in einer faszinierenden Innenschau. Man darf dabei nicht an Mozart, Verdi oder Britten denken; eher erinnert man sich an die vergleichsweise „stillen“ Requiem-Vertonungen von Dvořák und Fauré. Doch Rihm bezieht sich auf die Vokalpolyphonie der Renaissance, aus der er Neues schöpft, ohne jemals direkt zu zitieren. Das Licht leuchtet, auch wenn die Verheißung letztlich ungewiss bleibt.

Dieses Meisterstück fand eine meisterliche Interpretation durch das achtköpfige, große Ernsthaftigkeit, blitzsaubere Intonation und feinste Artikulation verbindende Huelgas Ensemble aus Brüssel, durch das alle pointiert gesetzten Akzente und die latente Poesie des Klangs großartig auslotende Minguet Quartett und den einfühlsam koordinierenden musikalischen Leiter Paul Van Nevel. Die vokalen und instrumentalen Linien der Komposition wurden in schwebender Klarheit verwoben und zum emotionalen Erlebnis, aufs Herzlichste bedankt vom Publikum. So berührend kann „Neue Musik“ sein, wenn sie die „Alte“ nicht verleugnet.

www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli

 

 

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