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Angst vor dem Tag des Zornes und der Finsternis

FESTSPIELE / CANTANDO ADMONT, KLANGFORUM WIEN

24/07/23 Es steht nicht hoch im Kurs bei aufgeklärten Theologen, das Dies irae, die ausgemalten Schrecknisse des Jüngsten Gerichts. Es kommt nicht von ungefähr, dass man bei der Liturgiereform des letzten Konzils vor nunmehr 55 Jahren gerade diesen Text ausgegliedert hat aus dem katholischen Begräbnisritus.

Von Reinhard Kriechbaum

Als es galt, 1603 die Kaiserin Maria von Spanien zu Grabe zu tragen, hat man ihr – oder den Hinterbliebenen – die unerfreulichen Perspektiven des Dies irae ebenfalls erspart. Jedenfalls hat Tomás Luis de Victoria in seinem sechsstimmigen Officium defunctorum (sprich: Requiem) diesen Satz nicht vertont. Dafür zwei biblische Hiob-Texte als Fleißaufgabe. Man darf wohl annehmen, dass diese Komposition den genauen musikalischen Ablauf des Totenbegängnisses festhält. Ein eindrucksvolles Stück, wie überhaupt die Musik des „spanischen Palestrina“ (er war knapp eine Generation jünger als dieser) ja wahrscheinlich nach wie vor unter ihrem Wert gehandelt wird.

Bei Tomás Luis de Victoria läuft die Polyphonie etwas anders als in den Werken Palestrinas, in denen sich die Motive durch alle Stimmen gleichsam Abfangjagden (wiewohl gemessenen Schritts) in Dauerschleife liefern. Der Spanier hingegen baut große, sich weit wölbende Linien auf, die sich gegenseitig mit bewegter Gegenbewegung in den Mittelstimmen, mit vielen kontrapunktischen Kniffen stützen.

Selbst in vergleichsweise komprimierten Sätzen wie in diesem Officium defunctorum, dem man gar nicht anmerkte, dass es für ein Mitglied des Kaiserhauses gedacht war, vermittelt sich das Gefühl von monumentaler Größe. Das hat das sechsköpfige Ensemble Cantando Admont unter Cordula Bürgi, gern gesehene Gäste bei der Ouvertüre spirituelle, mit betörender Intensität herausgebracht.

Diese Elitegruppe in Diisziplin und Tonschönheit kann aber auch Zeitgenössisches. Salvatore Sciarrino hat 2001 ein sehr interessantes Vokalstück geschrieben, Responsorio delle tenebre. Da werden Psalmverse einerseits in ganz schlichter Rezitation vorgetragen, aber sogleich greift eine andere Gruppe die schlichten Melodien auf, mit ein wenig Chromatik angereichert, rhythmisch ein klein wenig verrückt, auch mit tonleiterfremden Abweichungen garniert. Da könnte man an orientalische Musikpraxis denken. Auch das hat Größe, kann sich sogar neben de Vittoria behaupten und wurde entsprechend süffig in den Raum der Kollegienkirche geschmettert.

Das Klangforum Wien war auch wieder dabei. In diesem Konzert am Sonntagabend (23.7.), dessen Programm das Motto Wo bist du, Licht einzulösen suchte, durfte natürlich ein Werk von dem Vorzeige-Spektralisten Gérard Grisey nicht fehlen, diesmal Sortie vers la lumière du jour für elektronische Orgel und vierzehn Musiker. Mehr Orchesteraufwand war eingangs gefragt für ein Stück von Claude Vivier (1918-1983). Der Kanadier hat es eben mit Wo bist du, Licht! überschrieben und textlich auf Hölderlins Gedicht Der blinde Sänger aufgeset. Wie bedrohlich Streichertutti knirschen können, verstärkt um Schläge von Tamtam und großer Trommel! Über dieser orchestralen Schwarzwolken-Düsternis, die Elena Schwarz vom Pult aus gelenkt hat, kommen Sprechstimmen vom Band und ein leuchtend klares Sopran-Solo (Annika Schlicht) in übersichtlichen melodischen Schritten. Dunkelheit und Licht im Nahkampf, wenn man's (zugegeben arg simplifizierend) auslegen möchte.

www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli

 

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