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Im himmlischen Vogelhaus

OUVERTURE SPIRITUELLE / SWR SYMPHONIEORCHESTER

21/07/23 Wo viel himmlisches Licht ist, da ist Olivier Messiaen nicht weit, der Musik-Mystiker des 20. Jahrhunderts. 1991, im Jahr vor seinem Tod, hat er Éclairs sur l'Au-delà geschrieben. Der Größe des Themas, dem Jenseits, geschuldet ein Stück für Riesenorchester mit 75 Minuten Spieldauer.

Von Reinhard Kriechbaum

Zum Auftakt der Ouverture spirituelle also dieses Opus ultimum von einem, der sich dem Katholizismus mit beinah kindlichem Gemüt verschrieben hat. Beinah könnte man an alte Religionsbücher und ihre Illustrationen denken, wenn Messiaen seine tönende Jenseits-Bilderfolge mit Apparition du Christ glorieux, der Erscheinung des verklärten Christus, beginnen lässt. Vielleicht mischt sich unter die Assoziation mit dem alten, weißbärtigen Herrn auf der Wolke angesichts des sinnlichen Bläserklangs noch ein Touch von französischem Chansonnier.

In den elf Sätzen von Éclairs sur l'Au-delà hat Messiaen ja noch einmal alle Register seiner Instrumentationskunst gezogen, und der muss man vor allem Bewunderung zollen, wenn – wie in diesem eröffnenden Tableau – der Orchesterklang in seiner geballtesten Kraft daherkommt und dabei doch von einprägsamem Chroma und Charme durchzogen ist.

Da muss man natürlich gleich die Interpreten dieser Aufführung am Donnerstag (20.7.) in der Felsenreitschule vor dem Vorhang rufen, was das spürbar konzentrierte und dann nach Kräften enthusiasmierte Publikum auch wieder und wieder getan hat – das SWR Symphonieorchester in satter Hundertschaft und Ingo Metzmacher als umsichtig lenkender und abwägender Spiritus rector für diese monumental tönende Spiritualität.

Éclairs sur l'Au-delà ist vielleicht nicht so komplex gebaut wie manch anderes von Messiaens großen Orchesterwerken, aber gerade das ist ja die Herausforderung des Stücks – es darf nicht zu mystischer Pop-Art gerinnen.  Es ist alles da, was Messiaens Lebenswerk ausmacht. Die Rufe der gefiederten Freunde, die offenbar auch im Paradies (wo sonst fände der Meister seinen endgültigen Platz) auf unsereinen warten. In so manchem Satz drängt sich das Bild von einem himmlischen Vogelhaus auf. Natürlich sind es auch hier die modalen Tonleitern, die Anleihen bei außereuropäischen Tonsystemen, die Archaik vermitteln.

Und dann sind da diese gar wunderbaren, sinnlichen Geigenmelodien, die Messiaen mit der allergrößten Selbstverständlichkeit mit dem Wort Liebe verbindet. Ein Beispiel der gut zehnminütige Satz Demeurer dans l'Amour, wo sechzehn Violinen, sechs davon mit Dämpfer, ein unvergleichises Chroma entwickeln, zu dem nur eine Handvoll weitere Geigen, Bratschen und Celli eine Basis liefern, die man mehr als Schmeichelei denn als harmonische Stütze empfindet. Bassgeigen haben in einem derart lichtvollen Liebes-Nirvana sowieso nichts verloren, auch wenn eine Phalanx davon herumsitzt auf dem Podium.

A propos kleine Armee: Sechs Flöten, Piccolos, Klarinetten lassen immer wieder ein Delirium an Vogelstimmen hören, und wer mit Messiae vertraut ist, der weiß, dass bei diesem Meister assoziativer Vorstellungs-Zauberei sogar Xylophone und Röhrenglocken sich zu Vogelrufen formieren können.

Nichts wäre Olivier Messiaen fremder gewesen als Selbstironie. Aber ein wenig schmunzeln muss man schon, wenn Les Sept Anges aux sept trompettes zum Gotteslob antreten, sprich sechs Hörner, drei Posaunen, drei Fagotte mit mächtig sich in Szene setzen mit dem Schlagzeug. Da steckt Zahlensymbolik rund um die Zahl Sieben dahinter, die man als Hörer natürlich nicht wahrnimmt. Dafür kommt einem bei diesem sagenhaft eindrucksvollen Orchester-Zeremoniell in den Sinn, dass offenbar selbst der liebe Gott nicht ohne effekthascherische Selbstinszenierung auskommt. Wie die geht, hat der alte Herr womöglich seiner irdischen Kirche abgeschaut, die versteht – oder verstand –  sich auf so etwas...

Hörfunkübertragung am 3. August um19.30 Uhr in Ö1
Bilder: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli

 

 

 

 

 

 

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