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Anrufung der Sonne. Ausbruch der Pest

IM PORTRÄT / PETER SELLARS

20/07/23 „Peter Sellars ist seit dreißg Jahren ein Freund der Festspiele. Er ist in diesen Jahrzehnten der Präsenz und der Freundschaft zu einem Teil des spirituellen Zentrums der Salzburger Festspiele geworden“, sagt Markus Hinterhäuser. Peter Sellars inszeniert den Sonnengesang von Sofia Gubaidulina bei der Ouvertüre spirituelle, die heute Donnerstag (20.7.) beginnt.

„Ich begann hier vor dreißig Jahren mit Olivier Messiaens Saint François d’Assise“. Auch andere Komponisten, wie eben Sofia Gubaidulina hätten sich mit Messiaen auseinandergesetzt, über ihren Sonnengesang sagt er: „Mit diesem wunderbaren Stück, das sich durch Zeit und Raum hinein ins alltägliche Leben bewegt, hat Gubaidulina etwas geschaffen, das uns eine andere Welt eröffnet. Es ist eine furchtlose Musik von unglaublicher Ekstase und Wildheit. Das ganze Werk ist in seiner Anrufung der Sonne eine Art Ritual: Wie entfaltet sich ein neuer Tag, der aus der Dunkelheit heraus entsteht, was bringt die Sonne zurück? Es ist eine spezielle Form des Gebets, mit dem Cello hat Gubaidulina ein Instrument mit dunkler Farbgebung gewählt, das sie in ein Instrument des Lichts verwandelt. Den auf sich allein gestellten Cello-Klang, wie wir ihn aus Bachs Suiten kennen, umgibt Gubaidulina mit den Klängen des Chors. Dazu kommt das Schlagwerk, das gemeinsam mit dem Cello all das, was zunächst verschlossen ist, aufbricht.“

Im ersten Teil des Konzerts erklingen die Musikalischen Exequien von Heinrich Schütz. Die Musik von Schütz habe schon in dem Kirchenchor, für den er Anfang zwanzig in Boston gearbeitet habe, neben Bach eine wichtige Rolle gespielt, sagt Sellars. „Während eines Lockdowns trat plötzlich ein Zustand der Stille und des Innehaltens ein. In dieser Zeit der intensiven Beschäftigung mit dem Gesamtwerk von Schütz stieß ich auch auf die Musikalischen Exequien als diejenige Musik, die ich spontan mit dieser Zeit assoziierte. Ähnlich wie während der Pandemie war es auch im 17. Jahrhundert bedingt durch den Dreißgjährigen Krieg und den Ausbruch der Pest plötzlich nicht mehr möglich, groß besetzte Werke aufzuführen. Entstanden ist so ein bescheidenes und klein besetztes Stück, das den Tod eines Freundes betrauert – das erste deutsche Requiem, wenn man so will.“
Daher kommen seine programmatische Assoziation: „Während der Pandemie haben viele von uns Menschen verloren, von denen sie sich nicht einmal verabschieden konnten. Unsere Sprachlosigkeit darüber, der verordnete Übergang zur Normalität – daraus habe ich für mich selbst während der letzten zwei Jahre ein persönliches Gedenken gemacht. Die Musik von Schütz hat gewissermaßen einen Ort geschaffen, den wir während dieser Zeit nicht hatten.“ Aufnahmen der Exequien dauern etwa Minuten. Die nun anstehende komme auf etwa achtzig Minuten. „Wenn man die Musik in dem Zeitmaß aufführt, in dem man sich von einer Person verabschiedet, gewinnt das Stück erheblich an Raum und Stille hinzu“, so Sellars. Cello-Solistin ist Julia Hagen: „Julia Hagen ist unglaublich! Ihre Persönlichkeit geht voll und ganz in der Musik auf.“ Den „verrücktesten“ Part hätten mit Blick auf die Anforderungen des Sonnengesangs die beiden Schlagzeuger: „Sofia Gubaidulina verlangt immer mehr von einem als man selbst glaubt, geben zu können. Wenn das dann aber tatsächlich gelingt, passiert etwas Unglaubliches.“ (SF / dpk)

Bilder: SF / Jan Friese
www.salzburgerfestspiele.at

 

 

 

 

 

 

 

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