„Das Publikum muss es glauben“
FESTSPIELE / MAREIKE FALLWICKL
12/07/23 Direkt nach Erscheinen des Buches von Mareike Fallwickl im März 2022 habe sie Die Wut, die bleibt als potentieller Stoff fürs Theater eingenommen, so Jorinde Dröse, die jetzt für die Festspiele die Dramatisierung erarbeitet. „Ich war total erstaunt, wie toll das Thema ’Frau und Mutter sein‘ in einer so packenden Geschichte behandelt wird und habe sofort gedacht: Das will ich machen, wenn ich die Chance habe, das ans Theater zu bringen.“
„Haben wir kein Salz?“, hat der Ehemann beim Abendessen gefragt. Seoine Frau ist daraufhin wortlos aufgestanden und hat sich aus dem Fenster gestürzt. Die banale, harmlose Frage war der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat: Die Summe aus Überforderung, Einsamkeit, gesellschaftlicher Anforderung und Konditionierung, das fortwährende Überschreiten der eigenen Belastungsgrenze, das wohl viele Mütter gut nachvollziehen können.
„Meine Lesungen habe ich immer auch mit statistischen Fakten unterfüttert“ sagt die Salzburger Autorin Mareike Fallwickl. Das habe oft zu einem Aha-Effekt im Publikum geführt, „da wir Themen wie die chronische, unbezahlte Überlastung von Müttern in der Gesellschaft und das noch immer reformbedürftige weibliche Rollenbild ja nicht so klar benennen und darüber nicht in einem öffentlichen Diskurs sind“. Sie sei selbst überrascht gewesen „von der heftigen Reaktionswelle, die zu mir zurückgeschwappt ist. Von allen meinen Büchern war das bei Die Wut, die bleibt besonders krass.“
Dieses Echo kommt nun von der Autorin selbst, wenn sie die entstehende Bühnenarbeit sieht. Sie selbst habe sich dabei ertappt, wie kalt sie die Heftigkeit und Intensität der Theaterfassung bei deren Lektüre erwischt habe, obwohl sie die Verfasserin des Romans ist. Zu keiner Zeit habe sie Einwände gegen Jorinde Dröses konzeptionelle Vorgehensweise gehabt. Ganz im Gegenteil: „Ich finde es schön, dass mein Roman eine Kernbotschaft hat und dass sich etwas von mir durch das Buch weiterentwickelt, sodass dies durch die Darstellung auf der Bühne ein noch größeres Publikum erreichen kann“.
Eigentlich, so Mareike Fallwickl, habe sie ja „etwas Nettes“ schreiben wollen. Doch dann sei der Lockdown gekommen. „Da habe ich fast jeden Tag Nachrichten bekommen wie: ’Ich will nicht mehr. Ich kann nicht mehr. Ich springe vom Balkon‘. Und da hat es mich gepackt, ich habe mir die Frage gestellt: Was wäre, wenn das wirklich geschieht?“ Unter diesem Eindruck habe sie dann mitten im „Home-Schooling“ ihre erste Seite geschrieben und festgestellt, dass das viel besser und authentischer sei als das, was sie ursprünglich habe schreiben wollen.
Mareike Fallwickl betont, sie sei zu ihrem Roman von jungen Frauen inspiriert worden, die keine Scheu gehabt hätten, alles zu sagen, was sie bewegt. Deren Reaktionen auf den Roman hätten ihr gezeigt, dass sie damit etwas sehr Reales getroffen habe. Sie merke, dass diese Generation durch einen höheren Wissensstand und bessere Vernetzung einen Startvorsprung gegenüber ihrer eigenen habe.
In die Regisseurin Jorinde Dröse habe sie im Zusammenhang mit der Dramatisierung absolutes Vertrauen, dass die ganze Wucht und Kraft des Romans trotz der zwangsläufigen Eingriffe erhalten bleiben, sagt Mareike Fallwickl. Als besonders faszinierend habe sie auch die ersten Gespräche mit den Darstellerinnen und Darstellern empfunden, durch die sie zum ersten Mal Gesichter zu ihren Figuren vor Augen gehabt habe.
Den mitunter schlechten Ruf von Dramatisierungen als mutmaßlichem Ersatz für fehlende gute Stücke will weder sie noch Jorinde Dröse gelten lassen: Das sei nichts anderes als eine bewährte Methode, die es schon immer gegeben habe. „Ich habe immer einen subjektiven Zugriff, mich muss als allererstes die Geschichte faszinieren, da müssen große Gefühle drin sein“, sagt Jorinde Dröse. In Mareike Fallwickls Roman sei zudem viel direkte Rede enthalten, das habe die Hauptarbeit an der Dramatisierung einfacher gemacht. Natürlich bedeute eine Dramatisierung immer Einschnitte in den Originaltext und eine sprachliche wie inhaltliche Verdichtung. Den Vorteil des Theaters sieht sie aber im „gemeinsamen Erleben“, durch das viele Menschen im Raum berührbar würden. Auf der Bühne werde alles „schneller fassbar“. Und auch Mareike Fallwickl begeistert sich für den Prozess dramaturgischen Schreibens: „Im Theater hat man den Vorteil, alles behaupten zu können – und das Publikum muss es glauben“. (PSF/dpk-krie)
„Die Wut, die bleibt“ hat am 18. August im Salzburger Landestheater Premiere. Aufführungen bis 29. August – www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: Salzburger Festspiele / Jan Friese