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Neckarstrand und Seelen-Land

FESTSPIELE / QUATUOR ÉBÈNE

22/08/22 Das seit zwanzig Jahren bestehende Quatuor Ébène zählt zu den Stammgästen bei den Salzburger Festivals – spielt aber demnächst auch wieder bei den Traunsteiner Sommerkonzerten – und gastierte im Großen Saal des Mozarteums mit Musik aus drei Jahrhunderten.

Von Gottfried Franz Kasparek

Die Geiger Pierre Colombet und Gabriel Le Magadure und der Cellist Raphaël Merlin sind von Beginn an dabei, dazu kommt seit 2017 als erste Frau im Ensemble die Bratscherin Marie Chilemme. Das Ebenholz-Quartett spielt auf edlen Instrumenten, die ohne Ebenholz nicht denkbar wären. Heute gilt dieses „außereuropäische Laubholz“ als gefährdet, früher schrieb man ihm magische Wirkungen zu.

Magisch wirken schon die ersten Töne des Streichquartetts G-Dur KV 387 von Wolfgang Amadé Mozart. Schon das erste der sechs Joseph Haydn gewidmeten Stücke verbindet die rhetorisch fundierte Gelehrsamkeit und den oft schrägen Witz des verehrten Widmungsträgers mit mehr dem Belcanto abgelauschter Melodienseligkeit. Kein Wunder, dass Haydn darin „größte Compositionswissenschaft“ erkannte. Was Mozart im Finale mit Fuge und Doppelfuge anstellt, erscheint heute noch als wagemutig. Im sensiblen Spiel des Quatuor Ébène werden die durchaus vorhandenen scharfen Kontraste zwischen harmonischer Kunst und provokanter Volkstümlichkeit freilich eher charmant eingeebnet. Davor hatte das aufs Feinste ziselierte Andante cantabile allerdings jene faszinierend poesievollen Visionen der Romantik hervorgerufen, deren Vorhandensein in Mozarts Musik mancherorts geleugnet wird.

Unmittelbar nach dieser Reise in lyrisch verfeinerte Klangwelten folgt das hochexpressive erste Streichquartett Leoš Janáčeks, die Kreutzersonate. Dahinter steckt nur indirekt Beethoven, den der mährische Meister nicht besonders mochte, sondern die gleichnamige Novelle Leo Tolstois, der die Sonate als „furchtbares Werkzeug“ innerhalb einer Geschichte von mörderischer Eifersucht verwendete. Janáček hat in seinem erregenden Quartett nicht so sehr Beethoven, sondern viel mehr die dem Mord zum Opfer gefallene Frau rehabilitiert und gleich dazu die von Tolstois pathologischem „Helden“ beschimpfte Musik an sich. Das Stück ist in keiner klassischen Form, sondern als symphonische Tondichtung für vier Instrumente geschrieben. Das Quatuor Ébène spielt das mit feuriger Eleganz und findet gleichsam im Salon einer verkommenen Aristokratie immer wieder das schneidend Dramatische und die zukunftsweisende Modernität des Stücks.

Nach der Pause erfreut dann eine wundersam vielschichtig ausgebreitete Idylle vom Neckarstrand.Dort hat Johannes Brahms die Sommerfrische im Jahr 1875 verbracht und in der Tat hört man im damals entstandenen Quartett B-Durop. 67 „Berg und Wald und Strom und Feld“, fühlt sich zwischen Weinberge und Obstgärten versetzt und genießt die klare Schönheit der aus der Volksmusik stammenden Motive. Natürlich hat Brahms seine Empfindungen in höchst komplexe Musik und verschlungene Variationen übersetzt, die in weniger naturverbundener Interpretation auch langweilen können. Davon ist keine Rede bei dem französischen Quartett, welches in allerfeinstem, doch immer atmendem Nachzeichnen der kunstvollen Strukturen wahrlich die Sonne scheinen lässt und manchmal sogar die Herzen tanzen. Im dunkleren dritten Satz gelingt, mit der großartigen Bratscherin im Zentrum, noch dazu ein schattenhaftes Nachtstück, ehe das Finale zurück in die Feierlaune führt. Großer Jubel für das Quartett.

Bilder: SF / Marco Borelli

 

 

 

 

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