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Eine Pilgerreise zu den Hausgöttern

FESTSPIELE / ANDRÁS SCHIFF

10/08/22 Die Aria aus den Goldberg-Variationen. „Das Zugabenstück“, ließ András Schiff seine erstaunten Zuhörer wissen. Warum die Zugabe am Anfang? Weil eine solche nach dem Hauptwerk des Solistenkonzerts „eine Zumutung“ wäre...

Von Reinhard Kriechbaum

Nur zu verständlich, nach Schuberts A-Dur-Klaviersonate D 959, nach deren letztem Ton András Schiff so lange die Finger auf den Tasten lässt, bis auch die allerletzte Schwingung verhallt ist. Er liebt es seit je her, Musik zu größeren Einheiten zusammen zu fassen, und so hat er (ohne große Zäsur) vor das Schubert-Werk Mozarts spätes Rondo a-Moll gestellt – nicht nur ein Vexierspiel der Tonarten, sondern auch in der Stimmung etwas, das zusammen gehört. Jedenfalls wenn man's so spielt wie Schiff. Eine ähnliche Paarung war die Französische Suite G-Dur BWV 816/5 von Bach, auf die er Mozarts die Chromatik ausreizende Gigue KV 574 von 1789 folgen ließ.

Vorgesehen war ja ganz etwas anderes. Schiff vierhändig mit Ewgeny Kissin war der Plan. Die beiden hatten ab März eine Tournee vor mit acht Auftritten, aber nur der erste im Wiener Musikverein ist zustande gekommen. „Erst hatte er Corona, dann ich“, so Schiff – und in Salzburg machten Kissin Armschmerzen, die ihn seit längerem plagen, einen Strich durch die Rechnung.

So hat Andás Schiff allein am Dienstag Nachmittag (9.8.) im Haus für Mozart die Zuhörer mitgenommen auf eine Pilgerreise zu den ihm wichtigsten Kultstätten für seine pianistischen Hausgötter Bach, Haydn, Mozart, Beethoven und Schubert.

Ein Konzert mit Bekenntnis-Charakter, denn Schiff hat in seiner zweisprachigen Moderation (die Programmfolge war vorher nicht bekannt) sein Publikum wissen lassen, was ihm an den jeweiligen Stücken und Werk-Kombinationen so wichtig ist. Es scheint, als ob Schiffs Bach-Interpretationen immer noch zielgenauer, noch charismatischer, dabei durchzogen von einer gerade zu wundervollen Klarheit werden.

Es hat etwas von der Quadratur des Kreises, wenn Sir Andràs die Courante und Gigue in rasende Bewegung setzt, ohne wirklich durch die Noten zu hetzen. Und die „quasi-zwölftönige“ späte Mozart-Gigue zeichnet Schiff liebevoll in all ihren Reibungen, ohne sich „nachdrücklich“ zu gerieren.

Es ließe sich vortrefflich streiten darüber, ob Schuberts A-Dur-Sonate (die mittlere der drei „letzten“) oder Haydns c-Moll-Sonate – laut Schiff „die erste große Klaviersonate“ – das eigentliche Hauptwerk des Konzerts war, dem die Zuhörer mit greifbarer Spannung folgten.Das 1771 entstandene Stück ist die zwanzigste von 51 Klaviersonaten Haydns.

Es wirkt assoziativ und sprunghaft. Aber dass es mit dem „Sturm und Drang“, dem diese Musik zuzuordnen ist, nicht zuviel wird, da ist Schiff vor – und sein Bösendorfer. Da wirkt die Musik so lupenrein, wie mit Straußenfedern abgestaubt, so wie der rot-schwarze Schleiflack dieses Instruments.

Bösendorfer und Schiff, das ist ja eins. In Beethovens Bagatellen op. 126 wurde einem wieder einmal bewusst, wie viel Eigenart verloren geht mit der Konzertsaal-Dominanz der Steinway-Flügel. Sir András hält dagegen, und lässt im Scherzo der Schubert-Sonate das Hauptthema quirlig aufspritzen. Und doch fühlt sich jeder dieser Töne samten an.

Nach der Schubert-Exegese hat es niemanden im Saal auch nur eine Sekunde auf dem Stuhl gehalten, nach dem letzten Hall sind alle wie auf Komando gestanden zum Beifallspenden.

Bilder: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli

 

 

 

 

 

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