Eine Klavier-Festung in der Klassik-Brandung
FESTSPIELE / SOKOLOV
07/08/22 Sokolov ist aus Salzburg nicht wegzudenken. Wie Pollini. Wie der Jedermann. „Ein feste Burg“ ist er. Unangreifbar. Gefeit vor pianistischen Moden und Exaltiertheiten des Klassikmarkts. Verspieler gibt es bei ihm auch keine. Grigory Sokolov erntete diesmal Jubel mit Beethoven, Brahms und Schumann.
Von Heidemarie Klabacher
Imperien mögen untergehen oder durchdrehen. Sterne aus ihrer Bahn fallen. Planeten sich erwärmen. Geldmärkte wanken. Eine Konstante gibt es im Unviversum: Grigory Sokolov. Den Solitär. Jenen erarischen Block – im Wortsinn beinah – unter den Pianisten, der heute so spielt, wie gestern, vor einem Jahr oder vor zehn Jahren. Das ist staunens- und bewundernswert, dämmt aber doch auch die Neugier vor seinen Auftritten. Es ist ja doch immer das Gleiche: Vollendet. Schön. Statuarisch bei aller stupenden Virtuosität und Brillanz.
Auf dem Programm des Konzerts im Großen Festspielhaus standen am Samstag (6.8.) im Haus für Mozart Beethovens Eroica-Variationen, Drei Intermezzi op. 117 von Johannes Brahms und Schumanns Kreisleriana. Ein typisches Sokolov-Programm. Die acht Nummern der Kreisleriana, die mehr die stürmischen Gefühle des Komponsten gegenüber seiner Verlobten ausdrücken als die innerern Zerrissenheites von E. T. A. Hoffmanns Kapellmeister Johannes Kreisler, spielte Grigori Sokolov bei aller Angriffigkeit reflektiert und zurückhaltend, die verschiedenen Gefühlsebenen fein voneinander abhebend. Die lyrischen Nummern zwei, vier und sechs in Dur standen zu den bockigen, wilden, rastlosen Nummern in Moll in reizvollem Kontrast.
Skolov bleibt Sokolov? Der unnahbare Meister mit seinem beinah schon roboterhaften Auf- und Abgängen ohne Blick ins Publikum. Der menschen-scheue Meister, beinah in Deckung gehend nah an der Bühnenrückwand, inzwischen im maximal verdunkelten Saal spielend. Der virtuose Meister der beständig beinah gleichförmig strahlenden und perlenden Töne. Der Titan.
Apropos Titan: Beethovens Eroica-Variationen basieren auf einem Thema aus der Ballettmusik Die Geschöpfe des Prometheus. Das selbe Thema verwendete er auch in einem seiner Contretänze, in besagten Klavier-Variationen und – dann erst – im Finale der Eroica. Die Assoziation könnten also durchaus eher Richtung Schöpferischem denn Kriegerischem gehen. Grigori Sokolov spielt auch diesen Zyklus wie aus einem Guß. Mit der Gestaltannahme des Themas aus dem „Ungeordneten“ macht er kurzen Prozess, Ordnung ist alsbald hergestellt und darüber lässt sich brillant parlieren. Abgründe, gar vor-schöpferisches Chaos auszumalen, ist Sokolovs Sache nicht. Umso bewegender waren manche Momenten in Johannes Brahms' Intermezzi , die von einer feinen Verhaltenheit zart überschleiert waren.
Bilder: SF / Marco Borelli