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Ganz frei fürs Erschaffen der Erzählung

HINTERGRUND / VERRÜCKT NACH TROST

04/08/22 Thorsten Lensing habe „Szenen geschrieben, die er von uns gespielt haben wollte“, sagt die Schauspielerin Ursina Lardi. Seinen ersten eigenen Theatertext Verrückt nach Trost hat der Regisseur also Sebastian Blomberg, André Jung, Ursina Lardi und Devid Striesow, mit denen er teilweise schon seit zwanzig Jahren zusammenarbeitet, gleichsam auf den Leib geschrieben.

Seit Mitte der 1990er Jahre arbeitet Thorsten Lensing als freier Regisseur. Seine bisher fünfzehn Theaterabende entstanden als freie Produktionen für größere und kleinere Bühnen. Auch Verrückt nach Trost wird nach der Aufführungsserie bei den Festspielen – Premiere ist am Samstag (6.8.) im Max Schlereth Saal der Universität Mozarteum – quer durch den deutschen Sprachraum und darüber hinaus wandern: Les Théâtres de la Ville de Luxembourg, Sophiensæle Berlin, Kampnagel Hamburg, Theater Chur, asphalt Festival Düsseldorf, Theater im Pumpenhaus Münster, Künstlerhaus Mousonturm Frankfurt am Main sind als Aufführungsorte gebucht.

Für seine Roman-Dramatisierungen von Fjodor M. Dostojewskis Die Brüder Karamasow hat Thorsten Lensing den Friedrich-Luft-Preis für die beste Berliner Aufführung im Jahr 2014 bekommen. 2019 war er mit David Foster Wallaces Unendlicher Spaß zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Nun also erstmals ein eigenes Theaterstück. Bereits seit zwanzig Jahren arbeitet der Regisseur mit jenen Schauspielern zusammen, die in der Uraufführung seines Stücks Verrückt nach Trost mitwirken. Den Stellenwert dieses spezifischen Ensembles, das sich daraus geformt hat, hebt Ursina Lardi hervor. Mit kleinen Veränderungen sei eine feste, jahrelange Basis entstanden, die für sie genauso wichtig sei wie beispielsweise ihre Arbeit an der Berliner Schaubühne.

Zum dritten Mal spielt Sebastian Blomberg in einer Produktion von Thorsten Lensing mit. Für ihn haben sich die künstlerischen Prioritäten nicht zuletzt aufgrund dieser Zusammenarbeit verschoben: „Ich bin mehr und mehr zu der Auffassung gekommen, dass die Arbeit aus der Energie und Kraft dieses Ensembles entsteht. Zumeist ist man Gast an Theatern, wo man sich die Partner nicht aussuchen kann, bei Thorsten Lensing haben sich Partner gefunden, die einander wertschätzen, diese Gruppe ist daher für mich ein wichtiger Faktor, warum ich bei Projekten sage: Das mache ich“. Das Besondere hier sei, dass die Schauspieler einander künstlerisch und menschlich vertrauen. „Thorsten fragt gar nicht mehr, ob wir mitmachen, es geht nur noch um das Wann“, fügt er hinzu.

André Jung gehört nicht nur schon lange zur Formation um Thorsten Lensing, seit 1998 kommt er auch regelmäßig nach Salzburg und hat beispielsweise im vergangenen Jahr in Jossi Wielers Inszenierung von Das Bergwerk zu Falun mitgewirkt. Aber auch mit anderen für die Salzburger Festspiele tätigen Regisseuren wie Christoph Marthaler, Jürgen Flimm und vielen anderen hat er zusammengearbeitet, in seinem letzten Kinofilm Wanda, mein Wunder auch zufälligerweise mit zwei ehemaligen Darstellerinnen der Buhlschaft, Birgit Minichmayr und Marthe Keller.

„Die Arbeit mit dieser Gruppe hat mich nach meiner langen Zeit als festes Ensemblemitglied sehr von den Strukturen des normalen Theaterbetriebs befreit“, erklärt André Jung. „Der Spaß am Spielen, den ich schon als Kind gehabt habe, ist für mich primär, den habe ich heute noch und den wollte ich mir nie nehmen lassen. Man muss immer wieder neu anfangen“. Diese Haltung sei für ihn wichtig, um Risiken eingehen und sich öffnen zu können, das sei wie im Training beim Sport.

Bei jeder Probe alles zu investieren, steht auch für Devid Striesow im Vordergrund, auch er betont die Möglichkeiten, die das Ensemble dafür bietet und erinnert sich dabei beispielsweise an die Zusammenarbeit mit André Jung in Die Brüder Karamasow: „Man muss immer weiter probieren“, stimmt er zu und bringt die Chemie im Ensemble auf die Formel: „Hier gibt es keine Gefahr, einzubrechen, man spricht von derselben Sache. Die Wege zu glaubhaftem Spiel sind kürzer“. Und er fügt hinzu: „Wenn ich mit Leuten arbeite, die das gleiche Risiko eingegangen sind, habe ich bei der Premiere keine Angst mehr“. Sein Schwerpunkt in der Theaterarbeit liege darum auch auf diesem Ensemble und der Art und Weise, wie man hier probt. Als einziger der vier Darsteller spielt Devid Striesow erstmals in Salzburg, sein bisheriger Verbindungspunkt zu den Festspielen sei sein ehemaliger Kommilitone Lars Eidinger als Jedermann-Darsteller, der Ort sei für ihn aber dennoch sehr reizvoll für die eigene Beschäftigung mit Literatur.

Autonomie ist Arbeitsprinzip für Thorsten Lensing, was auch seine Schauspieler zu schätzen wissen. „Das ist ein unendlich hohes Gut“, sagt Sebastian Blomberg. „Hier sind Leute, die um sich herum die Verhältnisse geschaffen haben, um autonom handeln zu können. Es gibt keine Störgeräusche von außen, keine Ablenkung vom Erschaffen der Erzählung.“ Dieser Geist und die auf spielerisch frei assoziierte, improvisierte Art erzeugte Energie teile sich dem Publikum mit. „Die Zeit, die man hier hat, kann man als Faktor nicht hoch genug einschätzen. Ab Probenbeginn geht es nur noch ums Spiel, es braucht Schauspieler, die die Bühne in Brand setzen.“ (PSF / dpk-krie)

Premiere am 6. August im Max Schlereth Saal der Universität Mozarteum, weitere Vorstellungen bis 17. August – www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: Salzburger Festspiele / privat (1); Birgit Probst (2)

 

 

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