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Die Nationen rasen, der Erlöser lebt

FESTSPIELE / JORDI SAVALL / MESSIAS

20/07/22 Nach all den traurigen, tragischen, ja bedrückenden Momenten, an denen es heuer der Ouverture sprituelle nicht mangelte, öffnete Jordi Savall abschließend zu zwei Terminen mit Georg Friedrich Händels Messiah HWV 56 in der Kollegienkirche den Blick in hoffnungsvoll freundlich gestimmtere Vision.

Von Horst Reischenböck

Charles Jennens, von dem Händel die Kompilation an Bibeltexten zur Vertonung erhielt, war mit dem Ergebnis wenig zufrieden: „Er hat daraus eine vornehme Unterhaltung gemacht, die allerdings nicht annähernd so gut ist, wie er es hätte machen können und sollen.“ Damit verkannte er aber vollkommen die Absicht des Komponisten, wie sie dieser auch einem Adeligen gegenüber äußerte: „Es tut mir leid, wenn ich sie nur unterhalten hätte; ich wollte sie besser machen!“

Dieser Intention hat Jordi Savall, Fixstern in historischer Musizierpraxis und gerade heuer, rund um seinen 80. Geburtstag, gefragter Gast bei den Festspielen, letztendlich doch zuwider gehandelt. Indem er nämlich diesen einzigartigen Monolithen innerhalb allen Oratorienschaffens, der zu innerer Reflexion anregen sollte, ziemlich willkürlich in zwei zeitlich ähnlich lange Abschnitte gliederte.

So folgte also die Pause nicht nach dem ersten Teil, sondern nach vier Nummern des zweiten Abschnitts. Und, eigentlich auch unverständlich: Der Dirigent lud, indem er selbst seinem Ensemble applaudierte, auch die Hörer zur Beifallsbezeugung ein. Vorbei war’s mit Kontemplation.

Dabei bewegte sich die Ausführung selbst auf, wie von Jordi Savall gewohnt, absolut hohem Niveau. Sein Orchester Le Concert des Nations pulsierte vom ersten Auftakt in die eröffnende Symphony voll rhythmischen Elans und modellierte auch später die Pifa zart dahinschwebend aus. Wobei das Cembalo mittendrin nur zur Optik beitrug, denn anders als der vorn postierte Lautenist war von ihm nichts zu vernehmen.

Wie differenziert, dabei aber gelegentlich so gefordert auch durchdringend die zweiundzwanzig Vokalisten von La Capella Nacional de Catalunya ihre differenzierten Chorbeiträge in den Raum stellten, bewiesen sie schlagkräftig schon lange vor dem legendär und einmal mehr triumphalen Halleluja.

Innerhalb des Solistenquartetts setzte Martin Platz‘ kerniger Tenor den Auftakt. Matthias Winckhler echauffierte sich mit dunklem, gleichwohl schlankem Bass für die Frage, warum die Nationen rasen. (Andere Frage: Warum schaffen die Festspiele keine wortgetreu richtige Übersetzung?) Rachel Redmond verströmte ihren Sopran später voll im Bewusstsein, dass mein Erlöser lebt. Die Altpartien waren Countertenor Nils Wanderer anvertraut, der das zutiefst emotionale He was despised and rejected erschütternd wirksam gestaltete. Zu recht bejubelt. Händel, der an seinem Oratorium mehrfach herum dokterte, ließ diese längste Arie anlässlich der Uraufführung in Dublin übrigens von einer Altistin singen, während er sonst den Kastraten Gaetano Guadagni bevorzugte. Diesbezüglich hätte es dem Programmheft nicht geschadet, Auskunft über die zu hörende Version zu liefern. Nicht war's die, auch nicht ganz uninteressante, Version von Mozart – aber das versteht sich bei Savall sowieso von selbst.

Bilder: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli

 

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