Ein perfekter Papierflieger
HINTERGRUND / ZAUBERFLÖTE
19/07/22 Märchen und zugleich Meditation über Themen, die sehr erwachsen sind. Die Herausforderung: Worte wie Weisheit oder Tugendhaftigkeit spielerisch zu vermitteln. Die Musik von Mozart? Ein perfekter Papierflieger, der einfach fliegt. Regisseurin Lydia Steier und Dirigentin Joana Mallwitz über die Neueinstudierung der Zauberflöte.
Es sei alles andere als das Gleiche, sagt Regisseurin Lydia Steier über das Verhältnis der Neueinstudierung 2022 zur Inszenierung von 2018. So seien etwa von den unzähligen Fotos nur noch ein oder zwei verwendbar. „Wir sind Markus Hinterhäuser für die Möglichkeit, die Oper unter neuen Bedingungen inszenieren zu können, sehr dankbar. „Das Haus für Mozart als neue Spielstätte erlaubt eine intimere Perspektive auf die erzählte Geschichte.“
Geblieben ist der Ausgangspunkt einer vom Großvater erzählten Familiengeschichte, die durch die Augen der Kinder Realität wird. Zwei Drehscheiben auf der Bühne ermöglichen es, immer tiefer in die Erzählung einzutauchen – „vergleichbar mit Alice im Wunderland, die durch verschiedene Türen immer neue Welten und Perspektiven entdeckt“, so Steier weiter. Eine „Neubefragung“ gibt es auch auf musikalischer Ebene: „Die Zauberflöte ist wohl die meistinterpretierte und meisthinterfragte Oper“, sagt Joana Mallwitz dazu.
„Auch ich muss gestehen, dass ich mich erst einmal vom Blick auf bestimmte Traditionen freimachen musste.“ Damit meine sie nicht, das Stück gegen den Strich zu bürsten, sondern genau auf die Partitur zu schauen – „nirgendwo sonst findet man die Antworten“. Mallwitz, die 2020 in Così fan tutte bei den Festspielen debütierte über die Musik: „Bei Mozart reicht es nicht, einfach auf die Noten zu schauen. Die allerhöchste Kunst besteht darin, zu sehen, wie beispielsweise Akzente und Tempoübergänge geformt sind, dass es wie ein perfekter Papierflieger ist, der einfach fliegt. Das ist für mich die Musik von Mozart“.
Auf szenischer Ebene hätten sich due weltweiten Veränderungen seit 2018 ausgewirkt, sagt Lydia Steier: „Schon damals hatten wir den Blick auf eine Welt gerichtet, in der Kriege und anderes Elend vorkommen. Die Jahreswende 1912/1913 war der Punkt, an dem wir standen, seitdem haben wir alle einen anderen Blickwinkel, wir haben alle etwas verloren – im günstigsten Fall nur Zeit oder Geld, im schlimmsten Fall einen Menschen oder Gesundheit. Unsere Augen und auch die Augen der Sänger sehen anders. Was vorher nur prognostiziert wurde, ist Wahrheit geworden. Wir haben aber das Glück, ein junges Team zu haben, das sich engagiert mit aktuellen Themen auseinandersetzt, nicht nur mit dem Thema Krieg, sondern beispielsweise auch mit der Frage: Ist die Rolle der Pamina frauenfeindlich?“ Dazu gehöre auch, der neuen Generation zu erklären, was die Welt für sie bereithält – nicht nur im Hauptkonflikt des Stücks zwischen Sarastro und der Königin der Nacht, sondern auch mit Blick auf externe Konflikte.
Joana Mallwitz über die das „Singspiel“ in Mozarts Schaffen: „Diese Form bereitet Mozart schon in der Entführung vor. Zu oft wird viel zu wenig Gewicht auf den Dialog zwischen Mozart und Schikaneder gelegt.“ Für die Dirigentin wichtig, unabhängig von der jeweiligen Regie, und wunderbar umgesetzt „in Lydias Konzept“ seie der Fokus auf das Erzählen der Geschichte, die Themen, die gestreift werden, die Rätsel, auf die es keine Antworten gibt. „Was ist noch Wirklichkeit, was ist schon Traum?“
In dieser Inszenierung wurde von Roland Koch ein Großvater als Erzähler hinzu erfunden. Dazu Joana Mallwitz: „Seine Rolle ist spannend - genau im Hinblick auf das, worauf wir hinarbeiten. Die Geschichte wird erzählt, der Zuhörer wird in sie hineingezogen.“ Und Lydia Steier: „Der Großvater ist nicht nur irgendeine Figur, er ist vielleicht sogar die zentrale Figur, er sieht Tamino als junges Abbild von sich selbst. Im Esszimmer hängt ein großes Porträt von Pamina als verstorbener Großmutter. Die Kinder sehen in ihr die Prinzessin, Großvater blickt mit leidenschaftlicher Nostalgie auf die Frau, die er geliebt hat.“
Steier und Mallwitz können gut miteinander: „Regie und Musik müssen Hand in Hand gehen. Bei Mozart noch mehr als sonst überall: In dem Moment, in dem man eine Phrase singt, muss alles stimmen. Da merkt jeder Zuhörer sofort: Stimmt der Impuls oder nicht.“ Als Wirkung der Inszenierung wünscht Lydia Steier sich, dass sie nachhallt, „dass der Zuschauer sich daran erinnert, dass er die Reise mit uns macht und mit der Zeit durch einen neue Perspektive sieht“.
Es ist eine „Neueinstudierung“, was, so Mallwitz, nicht weniger Probenarbeit bedeutet: „Für mich ist es und muss es eine Neueinstudierung sein, ich muss herausfinden: Wie passt es im Team, wie kommen wir zusammen. Das ist harte Arbeit.“ Definitive Antworten wird man wohl nie finden, aber ich suche danach“. Worum es gehe, sei letztlich ein in frischer Blick, der vom Notenbild weggeht und am Ende jede Note mit der Zielrichtung befragt „Warum stehst du da?“ (Salzburger Festspiele)
Premiere ist am 30. Juli im Haus für Mozart -www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: SF / wildbild