Ein Leuchtturm, der nur wenig hervorschaut
FESTSPIELBEZIRK / SIEGERPROJEKT ERWEITERUNG
23/06/22 Die eine Möglichkeit wäre gewesen, irgendwo hinaus zu gehen an die Peripherie, auf der grünen Wiese das zu bauen, was Not tut: Malersäle, Werkstätten und dergleichen. Die andere, den Raum zwischen den Festspielhäusern und dem Fels und auch den Berg selbst zu nutzen. Also zu verdichten.
Von Reinhard Kriechbaum
Die Entscheidung zu Letzterem, also zur kompakten Bündelung aller Infrastruktur im Festspielbezirk selbst, ist schon vor geraumer Zeit gefallen. Nun ist der europaweite Generalplaner-Wettbewerb um die anstehenden baulichen Erweiterungen entschieden: Das Wiener Architekturbüro Jabornegg & Pálffy hat gemeinsdam mit dem Generalkonsulenten Vasko+Partner die Jury für sich einnehmen können. Heute Donnerstag (23.6.) hat András Pàlffy der Presse einen ersten Einblick gegeben in das, was quasi „hinter den Kulissen“ entstehen soll.
Zwischen den Festspielhäusern und dem Mönchsberg-Fels ist ja gar nicht so wenig Raum, über den man als Besucher oder Gast der Stadt selten nachdenkt. Da ist in vielen Jahrzehnten immer wieder dazugebaut worden. Die Gebäude dort – von „Verhüttelung“ zu sprechen verbietet die gewaltige Kubatur – sind weitgehend am Ende ihrer Lebenszyklen angekommen, so wie die Gebäude- und Bühnentechnik der Festspielhäuser selbst. Von den Künstlergarderoben über die Büros bis zu den Werkstätten ist im Lauf der nächsten zehn Jahren so gut wie alles zu erneuern. Dass das also „nachhaltig“ sein muss, ist in dem Fall nicht nur schmückendes Beiwort. Es ist essentiell für den künstlerischen Betrieb.
Das nun zum Siegerprojekt gekürte Vorhaben von András Palffy und seinem Team sieht unter anderem ein Werkstattgebäude mit gläsernen Fassaden bergwärts genau hinter dem Faistauerfoyer vor, also zwischen Winterreitschule und Großem Festspielhaus. Der wenig attraktive Hof hinter dem Betriebseingang wird damit passé sein. Das Reizvolle: Durch die Glasfronten soll man sowohl des Mönchsbergfelses als auch des historischen Bestands (etwa der Winterreitschule) gewahr werden. Tageslicht von allen Seiten ist für die dort Arbeitenden zu erwarten. Ob Pálffys Vorstellung, dass man durch die jetzt zugemauerten Fenster der Winterreitschule (des Karl-Böhm-Saales) dereinst auch hinausschauen wird können aufs neue Gebäude, wird vermutlich noch heftig diskutiert werden. Ein kleines Detail nur, das das Festspielpublikum unmittelbar betrifft: Weil das neue Gebäude ja unmittelbar ans Faistauerr-Foyer anschließt, kann man den Garderobenbereich endlich vernünftig erweitern.
Der zweite große Eingriff spielt sich im Berg ab. Eine Kaverne in der Größe von 71 mal 14 mal 48 Metern (das entspricht Pi mal Daumen der Länge des Großen Festspielhauses) soll weitere Infrastruktur aufnehmen, Orchesterprobenräume wie auch Logistikbereiche. Dorthin wird auch der Zufahrtstunnel führen, der vom Neutor aus auf halber Tunnel-Strecke abzweigen soll. Auch von diesen Kavernen wird es diverse Verbindungen geben, um beispielsweise Dekorationsteile auf kurzem Weg auf die Bühnen zu bringen.
Über Einzelheiten jetzt schon zu reden, ist müßig. Die Pläne und Visualisierungen jetzt sind ja erst das, was zum Wettbewerb eingereicht wurde. Nun geht’s ans Verhandeln und Festlegen vieler Details. Das Dach des neuen Hauses, das man zwar von nirgendwo aus Altstadt-Perspektive, dafür umso besser vom Mönchsberg aus wird sehen können, kommt in keiner der jetzt gezeigten Visualisierungen vor. Da werden Bauherren, Stadtbildschützer, Architekten (und wer sonst noch aller sich zum Mitreden berufen fühlt) ganz viel zu besprechen haben.
András Pàlffy hat betont, wie sparsam er den Berg „anzuknabbern“ gedenkt. Dass sich die Verdichtung weitgehend in einem Raum abspielt, der von außen uneinsehbar ist, das war und ist sowieso allen Beteiligten wichtig. Die international besetzte Fachjury hatte fünfzehn anonym eingereichte Projekte zur Auswahl und sie hat einstimmig für Pálffys Pläne votiert. Jury-Vorsitender Volker Staab: „Das Überraschende der siegreichen Arbeit besteht in der Einfachheit und Klarheit, mit der sie die hochkomplexe Aufgabe löst. Sie teilt die Nutzungen auf einen Neubau und einen in den Mönchsberg integrierten Bereich auf, und löst diese Trennung nicht nur organisatorisch und im Hinblick auf die Qualität der Arbeitsplätze hervorragend, sondern fügt sich damit auch überzeugend in das historische Ensemble des Festspielbezirks ein.“ Von einer „idealtypischen“ Lösung der Anforderungen sprach bei der Vorstellung heute nicht nur Lukas Crepaz, der Kaufmännische Direktor der Festspiele.
Architekten-Pläne haben manchmal etwas Rührendes: Sie zeigen beispielsweise eine kleine Allee entlang der Hofstallgasse, nahe der Front der Universitätsbibliothek. Das wäre freilich Sache der Stadt und ihrer Altstadtkommission. Und a propos andere Baustelle: Das geplante Besucherzentrum hinter der Pferdeschwemme (beim Schüttkasten), das die Festspiele ganz allein finanzieren wollen, liegt derzeit auf Eis, sagte Lukas Crepaz. Da klafft noch ein Geld-Loch. Ein solches ist bei den Werkstatt- und Infrastruktur-Vorhaben, die innerhalb von zehn Jahren umgesetzt werden sollen, nicht zu befürchten: Ursprünglich auf 264 Millionen Euro veranschlagt, kalkuliert man jetzt mit weit über dreihundert Millionen, auch wenn man hofft, dass sich die derzeit unwägbaren Preise für Baumaterialien bis zu den endgültigen Ausschreibungen wieder beruhigen werden. Vierzig Prozent wird der Bund tragen, je dreißig Prozent Stadt und Land. Von einem „Leuchtturmprojekt“ zu sprechen verbietet sich, weil alles Neue ja nur ein ganz klein wenig hervorschauen soll.