Eine Villa für die Festspielgeschichte
HINTERGRUND / FESTSPIELARCHIV
04/07/22 Aus der Schule geplaudert: Wir Journalisten nutzen das Festspielarchiv vor allem, wenn es gilt, einen Nachruf zu schreiben. Wann hat der/diejenige bei den Festspielen debütiert? Wann ist er/sie zuletzt hier aufgetreten? Und in welchen Rollen? Mit „Festspielarchiv“ assoziieren wir also vor allem die Website mit ihren feinen Suchfunktionen.
Das Festspielarchiv ist freilich auch etwas ganz Reales – und es wird bald eine neue Heimstätte bekommen. Eine schöne Villa in der Riedenburg, mit fünfhundert Quadratmetern Nutzfläche. Und es soll sogar in Teilen für die Öffentlichkeit zugänglich werden.
Das 1962 gegründete Archiv der Salzburger Festspiele ist eines der umfangreichsten noch erhaltenen Theaterarchive Österreichs. Als Hybrid aus Archiv, Sammlung und Bibliothek beherbergt es heute neben zahlreichen Dokumenten zur Festspielgeschichte – wie Spielplänen, Programmen, Plakaten, Presseartikeln, Korrespondenzen und Protokollen – auch Bühnenbild- und Kostümentwürfe, Textbücher und Notenmaterial und natürlich auch Fotografien en masse.0 Wohlsortiert sind auch Baupläne der Festspielhäuser. Es gibt eine Fachbibliothek sowie (Teil-)Nachlässe bekannter Festspielpersönlichkeiten und den Bestand der vormaligen Max-Reinhardt-Forschungsstätte. Hinzu kommen Kostüme und Ausstattungen sowie Bühnenbildmodelle diverser Produktionen, die jedoch im Fundus der jeweiligen Abteilung verwahrt werden.
Als man sich fürs Jubiläum 100 Jahre Festspiele ausgiebig mit der eigenen Geschichte auseinandersetzte und vor allem Material für die Landesaustellung Großes Welttheater sichtete, entstand die Idee, etwas mehr zu machen aus dem Festspielarchiv. Auißerdem ist wegen der Sanierung und Erweiterung der Festspielhäuser sowieso eine Übersiedlung der Bestände angesagt.
Intendant Markus Hinterhäuser: „Hundert Jahre Salzburger Festspiele sind auch hundert Jahre europäische Kulturgeschichte. Das wurde anlässlich des Jubiläums vor zwei Jahren wieder deutlich vor Augen geführt. So wie sich die Vitalität einer Partitur, eines Kunstwerks nur dann äußern kann, wenn man sie ständig aus der Perspektive der Gegenwart neu befragt, müssen wir auch die Geschichte der Salzburger Festspiele immer wieder neu befragen, neu erzählen – dafür stehen auch die Bemühungen um eine Neubelebung des Festspielarchivs, und insofern soll der Blick zurück für die über hundertjährige Institution Salzburger Festspiele selbst vitalisierend sein.“
Die Villa Weizner wird also zum neuen Festspielarchiv. Die meisten Salzburger haben das Bauwerk mit dem auffälligen weißen Vorbau aus Holz an der Kreuzung Neutorstraße/Leopoldskronstraße wohl vor Augen. In den letzten Jahrzehnten war da ein Kindergarten. Wie schön die Villa ist, fällt erst jetzt auf, da keine Zäune und Holzwände zur Straße hin im Weg stehen. 1841 errichtet, ist es das erste Beispiel einer Vormärz-Villa in Salzburg, urteilen Kunsthistoriker. In dieser Epoche lag die Stadt ja noch im andauernden Dornröschenschlaf, es wurde damals nicht viel gebaut.
Die Villa wurde auf unterschiedlichste Weise genutzt. Sie diente beispielsweise als Kommandanten-Quartier im Kasernenareal. Während der Besatzungszeit beherbergte sie einen Jazzclub und zuletzt eben als Kindergarten. Nur diese Villa und den Ziegelbau am gegenüberliegenden Ende des Riesenareals (der ehemaligen Riedenburg-Kaserne) hat der Denkmalschutz als erhaltenswert eingestuft. Die Festspiele mieten das Gebäude unbefristet (auf mindestens zehn Jahre) von der gswb. Deren Direktor Peter Rassaerts betont den architektonischen Kontrast der Villa zum modernen Quartier Riedenburg.
Margarethe Lasinger hat die Neuausrichtung des Archivs entwickelt. Zusätzlich zum Bereich Dramaturgie und Publikationen übernimmt sie nun auch die Leitung des Archivs. Als Publizistin und Ausstellungskuratorin (zuletzt war sie Co-Kuratorin der Jubiläums-Landesausstellung) hat sie einschlägige Kompetenz in Sachen Festspielgeschichte. Für 2023, anlässlich des 150. Geburtstags von Max Reinhardt, seien bereits konkrete Ausstellungs-Vorhaben in Vorbereitung, heißt es. Man will das Archiv für Vermittlungsarbeit (etwa auch im pädagogischen Bereich) öffnen und denkt an einen offenen Zugang zu fixen Archivstunden, um das neue Festspielarchiv zu einem Ort der Begegnung zu machen. Eine kleine permanente Archiv-Installation soll einen anschaulichen Überblick über die Festspielgeschichte geben. Im Obergeschoß sollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bereiche Dramaturgie, Publikationen und Archiv konzentriert arbeiten können.
Ein Archiv hat nicht nur im ideologischen Sinn Gewicht. Deshalb sind in den nächsten Monaten Umbau und Sicherungsarbeiten nötig. So sei angesichts der schweren Archivregale „die statische Ertüchtigung der Zwischendecke zum ersten Stock notwendig“, heißt es. Im September 2023 soll das Archiv umsiedeln, die Eröffnung ist spätestens am 31. Oktober 2023 – dem 80. Todestag von Max Reinhardt – geplant. (PSF/dpk-krie)