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Zehn Dichter machen ihren Reigen

FESTSPIELE / PROGRAMM 2022 / SCHAUSPIEL

13/12/21 Schnitzlers Reigen. Alleweil aktuell, was das Gefühlsleben angeht, aber ziemlich gestrig vom Gesellschafts-Entwurf her. Also lassen die Festspiele das Stück für den kommenden Sommer umschreiben. Zehn Plätze hat das Liebes-Karussell auf der Pernerinsel.

Von Reinhard Kriechbaum

Zehn international bekannte Autorinnen und Autoren wurden dazu eingeladen, je eine Szene des Originals zu überschreiben. „Ohne dass sie wussten, wer ihnen vorangeht oder nachfolgt“, erklärt Schauspiel-Leiterin Bettina Hering. „Entstanden ist ein aktueller, kontemporärer Reigen, in dem kaum Sex stattfindet.“ Dafür werde umso mehr „darüber diskutiert, worum es in einer Beziehung geht, was Partnerinnen und Partner heute voneinander erwarten und was für eine Rolle Projektionen, Ängste und Unsicherheiten spielen“.

Die polyglotte Schar der Schnitzler-Überschreiber: Lydia Haider, Sofi Oksanen, Leïla Slimani, Sharon Dodua Otoo, Leif Randt, Mikhail Durnenkov, Hengameh Yaghoobifarah, Kata Wéber, Jonas Hassen Khemiri und Lukas Bärfuss. Yana Ross ist die Regisseurin dieser Koproduktion mit dem Schauspielhaus Zürich, die am 28. Juli in der Szene Salzburg uraufgeführt wird.

Warum in der Szene? Das Landestheater hat ja eine längere Renovierungsphase vor sich und wird im kommenden Festspielsommer nicht zur Verfügung stehen.

Eine weitere Uraufführung wird also „im Exil“ stattfinden, im Max-Schlereth-Saal der Universität Mozarteum (dem ehemaligen Goßen Studio), Verrückt nach Trost von Thorsten Lensing. Der ist bekannt dafür, dass er seit Mitte der 1990er-Jahre als freier Regisseur Theaterabende in enger Kooperation mit den jeweiligen frei zusammengestellten Ensembles entwickelt. „So entstanden fünfzehn Theaterabende, jeder für sich eine Rarität“, sagt bettina Hering. Auf eine solche hofft sie natürlich auch diesmal.. Die Lebenswege zweier heutiger menschen Protagonisten, von der Kindheit bis ins hohe Alter, alle Verrückt nach Trost und „Getriebene auf dem Weg nach Erlebnis und Erkenntnis“, wie es die Schauspiel-Leiterin formuliert. Die Darsteller-Gruppe: Sebastian Blomberg, Anna Grisebach, André Jung, Ursina Lardi und Devid Striesow. Mit ihnen arbeitet Thorsten Lensing teilweise schon seit zwei Jahrzehnten zusammen.

Auf der Pernerinsel geht es am 27. Juli mit Ingolstadt los. Da bringen Textbearbeiter Koen Tachelet und der Regisseur Ivo van Hove zwei Stücke von Marieluise Fleißer (1901–1974) zusammen, Fegefeuer in Ingolstadt und Pioniere in Ingolstadt. Die blutjunge Literatin (sie war erst 22, als sie ihr erstes Ingolstadt-Theaterstück veröffentlichte) verarbeitete damals über der Folie der von ihr als extrem eng und kleingeistig empfundenen Heimatstadt einen Kosmos der katholischen Provinz aus der Sicht einer jungen, „verlorenen“ Nachkriegsgeneration. Über Fegefeuer in Ingolstadt schrieb der prominente Theaterkritiker Alfred Kerr, die Autorin sei eine „kostbare Abschreiberin kleinmenschlicher Raubtierschaft, im hiesig-heutigen Mittelalter“. Auf der Pernerinsel macht sich ein junges Ensemble aus dem Burgtheater ans (nach kurzzeitiger Renaissance in den 1970er Jahren) wieder zu erweckende Werk.

Die zweite große Schauspiel-Produktion auf der Pernerinsel bringt ab dem 18. August unter dem Titel Iphigenia drei klassische Versionen des Stoffs – von Euripides, Jean Racine und Goethe – und wohl einen dicken Rotstift zusammen. Der polnischen Regisseurin Ewelina Marciniak geht es um eine Standortbestimmung aus feministisch-gegenwärtiger Sicht. „Als Tochter, Schwester und Priesterin hat Iphigenia Verpflichtungen, ist fremden Erwartungen ausgesetzt. Aber was will sie selbst? Wofür opfert sich eine Frau in unserer Zeit?“ Für die Koproduktion arbeitet sie zum dritten Mal mit dem Ensemble des Thalia Theaters zusammen. Die Nähe der Regisseurin zur Choreographie war bisher immer wieder auffällig. Bettina Hering: „Wenn ihr Ensemble nicht mehr sprechen kann, dann tanzt es.“

Nichts Neues diesmal vom Jedermann – wieder Lars Eidinger und Verena Altenberger in der Titelrolle und als Buhlschaft, Edith Clever als Tod, Angela Winkler als Jedermanns Mutter, Mavie Hörbiger in der Doppelrolle als Teufelin und Göttin und der Glaube in gestalt der Kathleen Morgeneyer. Eine völlig unveränderte Besetzung voraussichtlich, bis in die kleinen Rollen.

Drei Lesungen sind angekündigt: Martina Gedeck und Claudia Michelsen lesen am 29. Juli in der Großen Universitätsaula unter dem Titel In aufrichtiger Wertschätzung! Texte von Erika und Thomas Mann sowie von Friderike und Stefan Zweig. Viel Sitzfleisch wird die Marathonlesung der Göttlichen Komödie erfordern, mit Verena Altenberger, André Jung, Ursina Lardi, Kathleen Morgeneyer, Jörg Ratjen, Devid Striesow und Angela Winkler. Margarita Broich liest schließlich aus Gustave Flauberts Roman Madame Bovary.

Das Schauspielprogramm 2022 – www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: Salzburger Festspiele / Flavio Karrer (1); privat (1): Jan Versweyveld (1); Bartek Barczyk (1); Matthias Horn (1)
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