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Achtung unbotmäßige Kinder!

FESTSPIELE / POLLINI

17/08/07 Vier seiner unbotmäßigsten Kinder nannte Robert Schumann die vier Sätze von Frédéric Chopins op. 35, hielt die Bezeichnung „Sonate“ für Angeberei oder einen schieren Witz. Schumann hat Chopins Sonate für Klavier Nr. 2 b-Moll aber auch nie in der Lesart von Maurizio Pollini gehört.

Von Heidemarie Klabacher

Ein bewegendes Tondokument, aber keineswegs aus den Phonomuseum, mag sich der Pianist auch dem Achtziger nähern. Pollini spannte, die vielen Facetten ausleuchtend und hervortreten lassend, einen souveränen Bogen. Die ungezogenen Kinder mögen ja tatsächlich alle ein bisserl bipolar sein. Aber der erste Satz trägt das „doppio“ offen in der Satzbezeichnung – und an Haupt- und Seitenthema laboriert bald einmal ein Sonatensatz. Mauricio Pollini entwickelte aus den Gegensätzen von unruhevoll pochenden und gelöst singenden Momenten eine enorme Spannung.

Dem bockigen gewaltbereiten Scherzo ließ er kundig die Zügel schießen, mit dem gesanglichen Trio più lento öffnete er seinem Auditorium quasi einen Blick auf einen Sonnenuntergang am Meer. Die vielgestaltigen Trauermonumente – Grabstein, Familiengruft , Mausoleum – des Marche funèbre gestaltete Maurizio Pollini mit dem feinsten Werkzeugen des Steinbildhauers wie des Pianisten. Wie bedrohlich grollend und dabei präzise artikuliert etwa die tiefen Triller. Frieden und zwischenzeitliche Erlösung brachte das nocturne-artige zweite Thema.

Mit dem kurzen wilden Sturm des Finale presto fegte Pollinis alles Liebliche hinweg – um es mit der Berceuse Des-Dur op. 57 verklärt wiegend zurückkehren zu lassen. Mit schöner herausgearbeiteten Spielglocken-Klängen hat man dieses Kleinod noch nicht gehört. Bei den rasanten Oktavenläufen im Diskant in der Polonaise As-Dur op. 53 Héroïque war zwischendurch kollektives Daumenhalten des Auditoriums angesagt. Die Kraftanstrengung war hör- und spürbar aber im nächsten Moment auch schon wieder vergessen: Ein Epos mit einem angeschlagenen Helden ist allemal aufregender, als eins mit stromlinienförmigem.

Eröffnet hat Maurizio Pollini sein Solistenkonzert im Haus für Mozart mit einer vielgestaltigen Lesart von Robert Schumanns Arabeske C-Dur op.18 und der Fantasie C-Dur op.17, deren Langatmigkeiten Pollini nicht aus der Welt schaffen konnte. Vielleicht hätte der Franzose zum Werk des Deutschen gesagt, „wenig aufgeweckte Kinder“. Dann trat Chopin aber eh selbst auf den Plan.

Bilder: SF / Marco Borrelli

 

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