Lichter Klang, klingendes Licht
FESTSPIELE / MUSIC AETERNA / CURRENTZIS
15/08/21 Exaltiert. Übertrieben. Scharlatan... Manches ist ja auch schräg. Wenn ein Veranstalter Teodor Currentzis an Mozart heranlässt.,, Wenn ein Hörer/Kritiker den Horizont eng nimmt, statt sich zu freuen, wenn mal was anders klingt... Kein ABER sollte aufzufinden sein, wenn Teodor Currentzis und musicAeterna Jean-Philippe Rameau auf's Korn nehmen. Dann wird Klangrede klingendes Licht. Punkt.
Von Heidemarie Klabacher
Die Eruptionen, gerne Donner und Blitz, sind eingebettet in organisch fließende Klang-Flüsse aus purem Gold. Das kleinste Wellchen hat Glitzer auf dem Kamm, ringelt sich kokett in sich selbst zurück wie im Musterbuch für barocke Bühnenmalerei – und hat sich auch schon wieder aufgelöst. Der wildeste Katarakt bricht sich genau an jenem Felsen, der das effektvollste Schäumen ergibt – und hat sich mit dem nächsten Atemzug auch schon wieder eingekriegt. Der Jubel für Teodor Currentzis und musicAeterna nach dem Jean-Philippe Rameau-Abend The Sound of Light am Samstag (14.5.) in der Felsenreitschule wollte schier nicht enden.
Ungebärdigstes Musikantentum, wildes Stampfen (bitte wörtlich nehmen), freches Gackern (bitte auch wörtlich nehmen, es gibt La Poule nicht nur von Haydn) oder affektiertes Gelächter, das im nächsten Moment umschlägt verinnerlichte Emotion, die sich in delikater Klangrede ausdrückt. Dazu eine simple aber gut durchdachte Lichtregie mit effektvollem Halb-Dunkel und bewusst herausgeleuchteten Instrumentalisten. Während das Publikum nach der Pause sich wieder setzte und noch kein Musiker zu sehen war, erklang ein Bordunton der Drehleier – bis es wieder vollkommen ruhig war und in den Bordunton hinein die ersten Töne aus Musette en Rondeau aus dem Opéra-Ballett Les Fȇtes d’Hébé erklangen. Ein einfacher dramaturgischer Kniff von großer Wirkung. So dramatisch sich das Stück auch entwickelte, der Bordun blieb hörbar.
Betörende Momente größter Ruhe und melodischer Schönheit werden von Currentzis immer wieder mit einem Stampfen in Schwung, der Kreisel mit einem Peitschenknall zum Drehen gebracht. Auch das Gegenteil geschieht. Exaltierte Bewegung, kleingliedrige Motive im Teufelsreigen kommen wie von Zauberhand betört zur Ruhe. All dies geschieht mit größter Geschmeidigkeit in Phrasierung und Tongebung, da wirkt nichts „gemacht“ oder gewollt. Heftige Akzente heben wohl den Zuhörer vom Hocker, der musikalische Fluss aber strömt weiter, in welchem Tempo in welcher Affektlage auch immer.
Erklungen waren Stücke etwa aus Pièces de clavecin en concerts, Ouvertüren, Einzelsätze und Arien aus den Opern Zaïs, Zoroastre, Naïs, Dardanus, Les Boréades und natürlich Les Indes galantes, welch letztere mit der die abschließenden Zugabe auch den musicAeterna Choir auf den Plan riefen – zum schwer herbeigesehnten trubulenten Forêts paisibles.
Die Sopranistin Sara Blanch, von Currentzis und den Seinen quasi auf Händen in Samthandschuhen getragen, ließ die Zeit stehen mit der Arie der Aricie aus Hippolyte et Aricie, der Arie der Venus aus Dardanus und der Arie der Télaïre aus Castor et Pollux.