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Seelen-Analyse handgreiflich subtil

FESTSPIELE / SOLISTENKONZERT VOLODOS

11/08/21 „Mesto heißt traurig. Du wirst das Stück auch ohne diese Ermahnung nicht lustig gespielt haben“, schrieb Johannes Brahms an Clara Schumann. Die Pianistin war überwältigt von den letzten Kompositionen Brahms' für ihr Instrument, den Klavierstücken op. 116 bis 119. Und das Festspielpublikum war überwältigt von Arcadi Volodos' subtiler Lesart später Klavierwerke von Brahms und Schubert.

Von Heidemarie Klabacher

„Eine wahre Quelle von Genuß. Alles, Poesie, Leidenschaft, Schwärmerei, Innigkeit, voll der wunderbarsten Klangeffekte...“, schrieb Clara Schumann in ihr Tagebuch. Mit den Sechs Klavierstücken op. 118 von Johannes Brahms eröffnete Arcadi Volodos am Dienstag (10.8.) sein Solistenkonzert im Haus für Mozart und führte damit sein Publikum auf die erste Etappe einer pianistischen Seelen-Erkundung.

Volodos spannte quasi einen einzigen Bogen über die vielschichtigen Charakterstücke vom Intermezzo a-Moll, einem scheinbar weltlich-salonmusikalisch anhebenden Allegro, bis zum Intermezzo e-Moll. Letzteres trägt in der Satzbezeichnung jenes Wort für „traurig“, das der Komponist einst der Virtuosin – auf deren Nachfrage hin wohlgemerkt – erklärt hat. Durch dieses Andante largo e mesto geistert eine Abart des Dies irae-Motivs aus dem gregorianischen Requiem. In der Lesart von Arcadi Volodos steigt dieses „Signal“ delikat durch die Lagen, eher nachdenklich stimmend als drohend. Die unzähligen Brüche, Nuancen und Gegensätze innerhalb oft kleiner musikalischer Erzählungen gestaltete Volodos akribisch aus, in allen Tempi und Anschlagsarten atemberaubend präzise. So bildeten, bei aller scheinbaren Kleingliedrigkeit und Vielgestaltigkeit, die sechs Stücke einen großen Bogen.

Diesen spannte Arcadi Volodos dann noch um ein Vielfaches weiter und exekutierte eine noch wesentlich dramatischere musikalische Seelen-Zergliederung mittels Franz Schuberts Sonate für Klavier A-Dur D 959. Nur mehr wie kleine Verwerfungen wirken Brahms' Schilderungen, angesichts der Brüche und Abgründe, der Kontraste zwischen brutaler Zerrissenheit und melodischer Schönheit bei Franz Schubert. Ob im Andantino, dessen gleichsam hingetupfte Sanftheit er im Mittelteil an toccatenhaft-zufällig aufgetürmten Felsen zerschellen ließ. Ob im virtuos hingefegten Scherzo mit seinem „Geistertrio“: Arcadi Volodos schenkte allen Klangfarben in D 959 je eigenes Chroma. Erschreckte mit handgreiflichen Attacken auf die Tastatur. Verstörte mit Generalpausen, über die ein ganzes Auditorium ins Nichts stürzte. Tröstete und betörte im nächsten Moment mit überirdisch delikatem Sound.

„Entschädigte“ für die Angriffe auf die Seelenruhe mit einem wundersamem Zugabenblock, der die Stimmungen des Konzerts teils wieder aufgriff, aber auch entschärfte: Federico Mompous El Lago. Franz Schuberts Menuett in cis-Moll D 600. Johannes Brahms' Intermezzo op. 117/1. Bachs Siciliano BWV 596 nach Vivaldi. Und Alexander Skrjabins überraschend kurzes Prelude op. 2 Nr. 2

Bilder: SF / Marco Borelli

 

 

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