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Kosmos ganz nah

FESTSPIELE / ZEHETMAIR

01/08/21 Mit den Sonaten und Partiten für Violine Solo BWV 2001 bis BWV 2006 eröffnete Thomas Zehetmair die Konzertreihe Zeit mit Bach. Der unaufgeregte Philosoph unter den Geigenvirtuosen führte nicht nur souverän Himmelwärts, sondern spannte diesen Himmel über allen auf wie ein Sternenzelt.

Von Heidemarie Klabacher

Was gibt es über diese sechs Stücke nicht alles zu sagen. Sie treten zu Paaren von je einer Sonate und einer Partita auf. Die Sonatensätze folgen – schnell - langsam - schnell – der altbewährten Form der Kirchensonate. Die beiden ersten Partiten zeigen die „klassiche“ Tanzfolge Allemande, Courante, Sarabande, Gigue, die dritte Partita ist französisch angehaucht. Über die Tonarten-Mystik informieren Kabala und Musikwissenschaft. Wasserzeichen-Gelehrte haben sicher auch was zu sagen.

Das wie „gedruckt“ wirkende Autograph als Ganzes ist ohnehin ein mit angehaltenem Atem diskutierter Gegenstand forschender Verehrung wie verehrender Forschung. Was alles wurde, wird und wird in Zukunft sicher noch viel besser erforscht. Die Besitzer der Handschrift vom Verfasser und seinen Nachkommen bis zur Staatsbibliothek zu Berlin. Interpretationsgeschichte und Zahl der Aufführungen überhaupt und bei bei den Salzburger Festspielen (die legendäre Ciaccona erklang bereits 1926 wenn auch in der Busoni-Bearbeitung, die letzte Gesamtaufführung spielte 2016 Isabelle Faust). All das ist faszinierend. Noch viel faszinierender ist ein einzelner Musikant.

Ein Interpret vom Format eines Thomas Zehetmair, der die sechs Stücke zum Klingen, jeden einzelnen Satz in seiner Einzigartigkeit zur Wirkung und alles Zusammen dem Hörer so nahe bringt, als wären die Kompositionen gar kein Wunder, sondern einfach Musik. Die ruhigen Sätze – so ruhig und ruhevoll, als gäbe es nur Frieden auf der Welt. Die Tanzsätze – präzise charakterisiert in den „nationalen“ Eigenheiten der zugrundeliegenden Tänze und dennoch, über alle Nummern hinweg betrachtet, ein völkerverbindendes Tanzfest. Die raschen Sätze – beunruhigend in ihrer atemberaubend wiedergegebenen komplexen Dynamik und zugleich Aufmunterung und Zuspruch: Denn am Ende siegen immer Ruhe und Frieden.

Das Ganze ist keine Kleinigkeit. Nicht für den Zuhörer (Konzentrations-Fähigkeit und -Wille sind gefordert). Schon gar nicht für den jeweiligen Interpreten dieser Monumentalwerke. Thomas Zehetmair auf der Bühne im Großen Saal des Mozarteums ließ keine Strapaze erkennen. Wischte sich freilich immer wieder Schweiß von Kopf und Stirne. Hören ließ er nur glasklar und präzise artikulierten, singenden, aufbegehrenden, klagenden oder traumverlorenen und in jedem Moment zum Herzen sprechenden Geigenklang.

Bilder : SF / Marco Borelli

 

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