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Mehr Zivil-Kultur, mehr Humanismus

FESTSPIELE / ERÖFFNUNGS-FESTAKT

25/07/21 „Es gibt eine humanistische Utopie, und sie heißt Demokratie. Sie setzt voraus, dass wir alle über praktische Vernunft verfügen und uns ein Bild über die zukünftigen Herausforderungen machen können.“ Einer der Kernsätze in der Festrede zur Festspieleröffnung heute Sonntag (25.7.) in der Felsenreitschule.

Festredner war heuer der Philosoph und ehemalige deutsche Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin. Er entwarf „Eine humanistische Utopie“. Nachdem die letzten großen Utopien der Menschheitsgeschichte zusammengebrochen sind, seien immer häufiger „Dystopien zu gemeinsamen Zielen“ geworden. Menschengemachter Klimawandel, neue Atommächte wie China und die Ablöse des Menschen durch Digitalisierung seien die bedrohlichen Szenarien, gegen die wir aktuell alle gemeinsam ankämpfen. Um dabei erfolgreich zu sein, müssen laut Nida-Rümelin die demokratische Zivilkultur und der Humanismus gestärkt werden. Eine Voraussetzung sei, dass „wie wir entscheiden, für alle passt“, so der Philosoph. Und dabei gehe es nicht bloß um das Finden von Mehrheiten, denn „Demokratie ist nicht die Diktatur der Mehrheit, sondern das Bewahren der Würde und des Respekts jedes einzelnen“.

Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus sei der Neoliberalismus, also jene Wirtschaftsform, die uns vertraut ist, als richtig angesehen worden. Aber da blieb kein Platz für Zukunftsentwürfe. Den Neoliberalismus nannte Nida-Rümelin „Investmentterror“. Man habe unterdessen die Rolle des Staates für die Wirtschaft zwar wieder erkannt, aber die Politik sei bisher noch nicht in der Lage, neue Programme und Visionen zu formulieren.

Landeshauptmann Haslauer stellte seine Rede unter das Motto „Erwachen“. Am beispiel von vier literarischen Werken stellte er Fragen, ob wir aus den Erfahrungen der vergangenen anderthalb Jahre und der gegenwärtigen Lage wohl die richtigen Schlüsse zu ziehen in der Lage sind (die Rede im Wortlaut).

Auch Bundespräsident van der Bellen fand in der Kunst einen Anknüpfungspunkt fürs Nicht-weitermachen-Können wie bisher, und zwar im Lieto fine des Don Giovanni. Alle seien „heilfroh, dass der Schrecken vorüber ist, und sie nun zur Normalität zurückkehren können, als wäre nichts geschehen“. Auch „wir sind glücklich, wieder aus einem reichen und faszinierenden Kunst- und Kulturangebot auswählen zu können. Aber gleichzeitig spüren wir doch, was die Rückkehr zum Status quo ante bedeuten würde: Die Rückkehr zu einem Leben, das in mehr und mehr Bereichen alles andere als „normal“ gewesen ist.“ Ökologie, Wirtschaft und soziale Verantwortung gegeneinander auszuspielen oder Maßnahmen gegen die Klimakrise weiterhin nur zögerlich in Angriff zu nehmen, sei „nicht normal, es ist fahrlässig“, mahnte der Bundespräsident.

Helga Rabl Stadler will die Festspiele, denen sie heuer zum letzten Mal als Präsidentin vorsteht, als „Symbol“ verstanden wissen, „nicht bloß als eine weitere Theatergründung und schon gar nicht als die lokale Angelegenheit einer Provinzstadt. „Festspiele, so Hugo von Hofmannsthal, als Angelegenheit der europäischen Kultur. Und von eminenter politischer, wirtschaftlicher und sozialer Bedeutung“. Von Salzburg aus könnten „die zerrissenen Fäden der europäischen Kulturgemeinschaft wieder angeknüpft werden“, davon sei Max Reinhardt überzeugt gewesen. „Diesem Glauben an die Kraft der Kunst verdanken die Salzburger Festspiele ihre Existenz“, so Rabl-Stadler. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg hätten die Festspiele „eine eminent politische Funktion“ erfüllt. „Obwohl die Stadt in Schutt und Asche lag, holte US-General Mark Clark, den von den Nazis abgesetzten Festspielpräsidenten Heinrich Puthon zurück und bestand geradezu auf Festspielen im August.“ Clark habe dann auch für seinen ersten öffentlichen Auftritt in Österreich am 12. August 1945 absichtsvoll die Eröffnung der Festspiele gewählt. „Sie werden jetzt wahrscheinlich noch besser verstehen, warum wir vergangenes Jahr Corona nicht die Regie überlassen konnten. Wir hätten uns bei einer Absage ob unseres Kleinmuts geschämt, vor unseren Gründervätern von 1920 und auch vor jenen, die 1945 die Festspiele wieder zum Leben erweckten“, erklärte Helga Rabl Stadler.

Vizekanzler und Kulturminister Werner Kogler bezeichnete in seiner Ansprache Kunst und Demokratie als „Geschwister im Geiste“. Ohne Demokratie könne sich die Kunst „niemals richtig frei entfalten, aber ohne lebendige Kunst stirbt auch die Demokratie“. Kogler ergänzte: „Während der schwierigen letzten Monate durch die Pandemie ist die Selbstverständlichkeit für beide brüchig geworden. Mit Demut und Respekt sollten wir allerdings auch aus dieser Zeit lernen – voneinander und was unser Zusammenleben ausmacht.“

Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, nahm auf Einladung von Bundeskanzler Sebastian Kurz am Festakt teil. Kurz ließ sich krankheitshalber entschuldigen. Zwei Staatsoberhäupter sind in diesen Tagen in Salzburg um die Wege – die slowakische Präsidentin Zuzana Čaputová und ihr bulgarischer Amtskollege Rumen Radev.

Zum Festakt spielte das Mozarteum-Orchester „La Valse“ von Maurice Ravel sowie zwei Sätze aus dem Konzert für Violonchello und Blasorchester von Friedrich Gulda. Das Bild zeigt den Dirigenten Ingo Metzmacher und die Cellistin Julia Hagen. (Landeskorrespondenz/dpk-krie)

Bilder: Land Salzburg / Neumayr-Leopold

 

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