Kein vorauseilender Pessimismus
SALZBURGER FESTSPIELE 2021
10/12/20 Erst in zwei, drei Jahren werden die wahren Auswirkungen von Corona „sehr zu spüren“ sein, meint Festspielintendant Markus Hinterhäuser. Es gelte daher, „achtsam und behutsam zu sein, ohne die Phantasie in die zweite Reihe zu stellen“. Das spiegelt sich im Festspielprogramm 2021.
Von Heidemarie Klabacher
„Wir haben uns entschlossen volles Programm zu machen, ohne vorauseilenden Pessimismus.“ Schon im Vorfeld sei gegenüber Medien, Publikum und Künstlern immer wieder betont worden, „dass wir Abgesagtes in den Sommer 2021 verschieben“, sagte Festspielintendant Markus Hinterhäuser heute Donnerstag (10.12.) bei der Präsentation des Festspielprogramms 2021 in der Felsenreitschule. Das sei zu einem hohen Prozentsatz gelungen, doch werde dieser „Verschiebebahnhof“ noch weiter bemüht werden müssen. Er sei überzeugt, so der Intendant, dass
„Was mit Mozart möglich ist“, sollen Regisseur Romeo Castellucci und der Dirigent Teodor Currentzis gleich einmal mit Don Giovanni in der Eröffnungspremiere vorführen. Wiederaufgenommen wird Elektra in sieben Vorstellungen mit der litauischen Sängerin Aušrine Stundyte in der Titelrolle. Georg Friedrich Händels Oratorium Il trionfo del Tempo e del Disinganno in Robert Carsens Inszenierung wird von den Pfingstfestspielen übernommen. Wiederaufgenommen wird Mozarts Così fan tutte, die coronabedingt „schlichte“, bejubelte Produktion in der Regie von Christof Loy.
Ein Highlight im Opernprogramm zu werden verspricht Intolleranza 1960, Luigi Nonos erstes Musiktheaterwerk: „Es ist eine erstaunliche Geschichte der Salzburger Festspiele mit Luigi Nono“, erinnerte Intendant Markus Hinterhäuser beim Pressegespräch in der Felsenreitschule. Kein zweites Festival der Welt blicke auf solch „exemplarische Aufführungen des Gesamtwerkes von Nono“. Das 1961 uraufgeführte Werk sei „ein leidenschaftlicher Appell gegen Rassismus, Intoleranz, Unterdrückung und die Verletzung der Menschenwürde“: In diesen Tagen sei es, so Hinterhäuser, besonders wichtig, „diesen Aufschrei Nonos hörbar zu machen“.
Als Übernahme von den Osterfestspielen steht Puccinis Tosca auf dem Programm. Morton Feldmans Oper in einem Akt für Sopran und Orchester Neither von 1977 auf ein Gedicht von Samuel Beckett wird (zusammen mit Feldmans String Quartet and Orchestra von 1973) in einer konzertanten Aufführung einmalig in der Kollegienkirche gespielt. Ebenfalls konzertant auf dem Programm steht Hector Berlioz' La Damnation de Faust mit Alain Altinoglu am Pult der Wiener Philharmoniker, Elīna Garanča als Marguerite, Charles Castronovo als Faust und Ildar Abdrazakov als Méphistophélès.
Wirtschaftlich „noch immer nicht vertretbar“ sei eine Neuproduktion der Zauberflöte, die voraussichtlich 2022 kommen wird. Boris Godunov werde auf 2022, vielleicht aber auch auf 2024 verschoben. Intendant Hinterhäuser erinnert: Die Salzburger Festspiele seien, „entgegen nicht aus der Welt zu kriegenden Gerüchten“, kein hochsubventionierter Betrieb, sondern seien extrem abhängig vom Kartenverkauf“. Man müsse vorsichtig sein: Tatsächlich glaube man fest daran, dass die Festspiele 2021 „normal“ stattfinden können und hoffe „auf volle Platzauslastung“, müsse aber Umsicht und Sorgfalt walten lassen für alle Corona-Eventualitäten. Das erklärt der Kaufmännische Direktor Lukas Crepaz: Von den insgesamt 209.071aufgelegten Karten kommen zunächst nur zwei Drittel in den Verkauf, das verbleibende Drittel wird erst freigegeben, wenn sich die Lage besser abschätzen lasse. Dazu beitragen soll auch die Verlegung des Bestell-Stichtags auf Ende Februar. Am 10 Mai startet Verkauf, man hofft, dass bis dahin Verordnungen der Regierung vorliegen.
Die erforderliche Reduktion im Opernprogramm hat man jedenfalls versucht mit einem umfangreichen Konzertprogramm auszugleichen, betont der Konzertchef der Festspiele, Florian Wiegand: „Auch da werden Sie Programme entdecken, die für Sommer 2020 geplant gewesen wären, etwa die Reihe Zeit mit... Feldman“. Eine zweite Zeit mit-Reihe gelte nicht einem zeitgenössischen, „sondern einem ganz und gar zeitlosen Komponisten“: Johann Sebastian Bach. Im Zentrum steht die Tanzproduktion Mitten wir im Leben sind– Bachs Cellosuiten mit dem Cellisten Jean-Guihen Queyras und der Tänzerin und Chorografin Anne Teresa De Keersmaeker.
Die Ouverture spirituelle steht (wie eigentlich 2020 vorgesehen) unter dem Motto Pax – Friede und wurde mit kleinen Änderungen in den kommenden Sommer übernommen.
Die fünf Konzerte der Wiener Philharmoniker leiten Franz Welser-Möst, Christian Thielemann, der seinen Bruckner-Zyklus fortsetzt, Andris Nelsons, Herbert Blomstedt und Riccardo Muti, der zu seinem achtzigsten Geburtstag und seinem füngzigjährigen Bühnenjubiläum in Salzburg erstmals Beethovens Missa solemnis dirigiert.
Auf dem Schauspielprogramm stehen, in neuer Besetzung, der Jedermann, Shakespeares Königsdrama Richard III. in einer Erweiterung und Neudichtung als Marathon Richard the Kid & the King von Karin Henkel und Friedrich Schillers Maria Stuart samt thematisch passenden Lesungen. Fortgesetzt werden die Schauspiel-Recherchen, dazu kommt eine umfassende Reihe Theater im Kino.
Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler fasst zusammen: „Unter dem Vorrang der Gesundheit künstlerisch Sinnvolles zu wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen zu machen - das ist uns 2020 gelungen, das streben wir 2021 an.“
Online-Bestellung gehen ab sofort, Bestell-Stichtag ist der 28. Februar 2021 – www.salzburgfestival.at
Bilder: Stills von der Programm-Pressekonferenz
Zur Meldung Der Fahrplan und die Tickets
Zur Jedermann-Meldung Das First Couple und all die anderen
Das Festspiel-Programm – Oper Luigi Nonos Aufschrei für die Menschenwürde
Das Festspiel-Programm - Schauspiel Der Schurkenkönig und seine Kinderstube
Das Festspiel-Programm – Konzert: Man probiert's mit vollem Programm
Das Festspiel-Programm – Ouverture spirituelle: Friede ist immer gut