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Je politischer, desto steifer der Stil

IM WORTLAUT / DIE RESÜMEES ZUM FESTSPIEL LOGO

28/10/20 Oliver Rathkolb, Professor am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien, ist unter anderem Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des Hauses der Europäischen Geschichte oder des wissenschaftlichen Beirats des Jüdischen Museums Wien. Anita Kern, Grafikdesignerin und Kultur-Wissenschaftlerin, ist Universitätslektorin für Grafikdesigngeschichte an der Universität für angewandte Kunst. - Hier die Resümees zum Logo der Salzburger Festspiele im Wortlaut.

Resümee Gutachten Oliver Rathkolb

· Poldi Wojtek war bereits vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland 1933 und dem Verbot der NSDAP in Österreich im Juni 1933 eine anerkannte junge Künstlerin in Salzburg. Sie arbeitete schon vor ihrem Erfolg mit dem Festspielplakat 1928 an großen Projekten in Salzburg mit – etwa an den Fresken im Festspielhaus – und gehörte zum Umfeld von Künstlern wie Anton Faistauer und Anton Kolig.

· Poldi Wojteks Festspiellogo wurde nach dem „Anschluss“ 1938 nicht mehr verwendet – zu stark war die Erinnerung an die Ära Max Reinhardts und die intellektuelle Moderne. Aber als „entartet“ – das heißt ideologisch verfemt – galten Wojteks Grafiken deswegen nicht. Ab 1945 wurde das Emblem wieder als Logo eingesetzt.

· Den Wettbewerb um ein Plakat für die Salzburger Festspiele hat sie 1928 – obwohl nicht Erstgereihte der Jury der Kunstgewerbeschule in Wien – mit ihrem an zweiter Stelle gereihten Entwurf für sich entschieden. Im Hintergrund hatte ihr Freund und späterer Ehemann, der Kunsthistoriker und Pressemitarbeiter des Österreichischen Propagandabüros, Kajetan Mühlmann, erfolgreich Regie geführt. Mühlmann erledigte damals die Pressearbeit für die Salzburger Festspielhaus-Gemeinde, die zu 50 Prozent an dieser Werbeagentur beteiligt war.

· Poldi Wojteks Nähe zu nationalsozialistischen Auftraggebern und ihre Mitwirkung an NS-Propagandaarbeiten entstanden aufgrund der privaten Beziehung zu Mühlmann. Durch seine Kontakte mit dem nationalsozialistischen Innenminister und Kurzzeitbundeskanzler sowie Reichsstatthalter Arthur Seyß-Inquart während des „Anschlusses“ 1938 in Wien stieg Mühlmann in den innersten Zirkel der Entscheidungsträger der NSDAP auf und wurde Staatssekretär, zuständig für Kunstfragen, sowie „Görings europaweiter Kunsträuber“. Er förderte zumindest indirekt mit seinem Namen und seinen Netzwerken bis zur Scheidung von Poldi Wojtek 1943 deren künstlerische Karriere, wie er es auch vor 1938 getan hatte.

· Wojteks ideologischer Leistungsnachweis in ihrem „Personal-Fragebogen zum Antragschein auf Ausstellung einer vorläufigen Mitgliedskarte und zur Feststellung der Mitgliedschaft im Lande Österreich“ bei der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei vom 30. Juni 1938 ist die von ihr beigesteuerte Illustration der Hitler-Biografie für Kinder Eine wahre Geschichte von Karl Springenschmid, einem ideologisch höchst aktiven nationalsozialistischen Lehrer (anonym erschienen 1936).

· Bezüglich des Naheverhältnisses von Poldi Wojtek zur NS-Ideologie ist – neben ihren immer wieder oberflächlichen Illustrationen von NS-Propaganda oder NS-Symbolik bereits vor 1938 – vor allem der aktiv betriebene Entzug und der Erwerb des Hauses der verfolgten jüdischen Malerin Helene von Taussig in Anif hervorzuheben. Wojtek nützte die Kontakte ihres Mannes Kajetan Mühlmann und ihres Vaters – ein ehemaliger hoher Landesbeamter im Baubereich – schamlos aus, um das Haus an sich zu reißen. Ihr Vater schenkte ihr das „arisierte“ Haus 1943. Mühlmann hatte sich erfolgreich eingeschaltet, um die „Arisierung“ auch gegen starke NS-Konkurrenz und das Kriegsbedingte Verkaufsverbot durchzusetzen. Poldi Wojtek selbst intervenierte ebenfalls mehrmals bei höchsten NSDAP-Funktionären in Salzburg.

· 1952 gründete Poldi Wojtek gemeinsam mit ihrem neuen Lebensgefährten Karl Schatzer – sie ließ sich 1943 von Mühlmann scheiden, der seit 1939 eine zweite Familie hatte – eine Keramik-Lehrwerkstätte. Bei der Suche nach einem Atelier wurde sie von Landeshauptmann Josef Klaus unterstützt und erhielt nach einem gescheiterten Versuch beim Salzburger Kunstverein ein neues Atelier gemeinsam mit dem akademischen Maler Karl Schatzer in einem neuen Kulturzentrum in der Residenz. 1978 ist Poldi Wojtek, mehrfach ausgezeichnet, verstorben.

Resümee Gutachten Anita Kern

· Aus designhistorischer Sicht ist Poldi Wojteks Logo kein klassisches Logo. Es war ein Plakat, das zum Logo umfunktioniert wurde, bestehend aus fünf verschiedenen visuellen Elementen und einem Schriftzug. Es ist ein zeittypisches grafisches Produkt: Es zeichnet sich durch konstruktive Strenge aus, verweist aber noch auf die Wiener Flächenkunst um 1900.

· Poldi Wojtek war in den 1920er-Jahren grafisch und zeichnerisch auf der Höhe der Zeit, vertrat dabei aber – angesichts der zahlreichen avantgardistischen Bewegungen der Zeit – eine konservative Position.

· Poldi Wojtek ist durch die Freundschaft und spätere Ehe mit dem NS-Kunstfunktionär Kajetan Mühlmann zu Aufträgen und öffentlicher Anerkennung gekommen; die gestalterische Legitimation dazu hat sie sich unabhängig davon erworben. Bereits zu Beginn ihrer Studienzeit 1922 werden ihre Entwürfe zu Titelbildern von Kinderbüchern (Reihe der Sesam-Bücher). Ihre Lehrer an der Kunstgewerbeschule, die Jugendstil-Größen Josef Hoffmann und Adolf Boehm sowie der Kunsterziehungspionier Franz Cizek, attestieren Wojtek „sehr gute zeichnerische Begabung“, „Phantasie“ und „Talent“. Bisher nicht aufgefunden werden konnten Werke Wojteks, die in der zeitgenössischen Presse erwähnt werden: Als der Sonderbund österreichischer Künstler in Salzburg, dessen Präsident Anton Faistauer war, im August 1925 unter anderen Werke von Clemens Holzmeister und Peter Behrens ausstellt, „erregt die erst 22jährige Poldi Wojtek mit ihren Kostümstudien und Tapetenentwürfen [Aufmerksamkeit].“

· Poldi Wojtek ist – setzt man die Fakten zu einem Bild zusammen – nicht „vereinnahmt“ oder „instrumentalisiert“ worden, sie agierte mit ihren politischen Illustrationen aktiv für die NS-Ideologie. Je näher sie in den Einflussbereich von Kajetan Mühlmann kam und je politischer die Aufträge wurden, desto mehr büßte sie von ihrer gestalterischen Frische ein und desto konservativer, ungelenker, wurden ihre Zeichnungen, wie anhand der Illustrationen des Hitler-Biografie-Kinderbuchs Eine wahre Geschichte von 1936 zu erkennen ist. Verschwunden ist der souveräne, lockere zeichnerische Stil der Wojtek der 1920er-Jahre.

· Das Logo für die Salzburger Festspiele ist fast ein Jahrzehnt davor (1928) entstanden und hat – unabhängig von der Biografie der Gestalterin – fast ein Jahrhundert gewirkt. (Salzburger Festspiele)

Bild: Salzburger Festspiele
Zur Meldung Logo bleibt

 

 

 

 

 

 

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