Startenor mit Gitarre
FESTSPIELE / JUAN DIEGO FLÓREZ / VINCENZO SCALERA
27/08/20 Cucurrucucú Paloma gesungen von einem Startenor mit Hang zum Hohen C ist ein Erlebnis. Das Spielchen mit der verstimmten Gitarre gehört dazu: „Neue Saiten...“ gefolgt von Kopfschütteln und heftigem Wirbeldrehen. Die Menschen lieben Flórez für seine kleine Showeinlage nicht weniger, wie für seine stupende Gesangsleistung.
Heidemarie Klabacher
Der Bühnen-Arbeiter, der nach den Latino-Zugaben den Hocker wegräumte, wurde ausgebuht, der Hocker tatsächlich noch einmal zurück gebracht. Darauf könnte Flórez noch immer sitzen, Gitarre spielen und dazu singen. Niemand wäre gegangen.
Die Geschmeidigkeit dieser Jahrhundertstimme. Die mit scheinbar spielerischer Leichtigkeit erreichten Spitzentöne. Die Virtuosität beim „Umschalten“ auf Kopfstimme – Cucurrucucú. Das gleichbleibend klangfarbenreiche Timbre von der betörenden Mittellage bis hinauf in hohe strahlende Lagen: Mit technischer Brillanz und stupendem Musikantentum verleiht Juan Diego Flórez Latino-Schlagern zur Gitarre (alles längst auf CD erhältlich) ebenso großen Reiz, wie Beethovens Adelaide oder der Heimlichen Aufforderung von Richard Strauss. Im Klassikteil wurde Juan Diego Flórez wie immer auf dem Klavier begleitet vom kundigen und soliden Weggefährten Vincenzo Scalera.
Es war eine enorme zeitliche und stilistische Bandbreite, die Flórez und Scalera mit ihrem Lieder- und Arien-Abend im Großen Festspielhaus abschritten, bei gleichbleibend hervorragender Textverständlichkeit des Sängers. Diese verwundert wenig etwa beim Lied von der traurige Taube, die ihr Cucurrucucú auf Spanisch flötet, erfüllt aber mit Staunen und Bewunderung angesichts der Goldgewölke, Silberglöckchen und flötenden Nachtigallen bei Beethoven oder des Heers der trunknen Schwätzer bei Strauss. Den ohnehin „opernhaften“ Strauss-Liedern, auch Cäcilie stand auf dem Programm, verleiht der Startenor strahlenden Glanz, ohne die Liedform zu sprengen.
Den Übergang zum Arienteil gestalteten Floréz und Scalera mit zwei Nummern aus Sei ariette da camera von Vincenzo Bellini, einer Instrumental- und einer Gesangsfassung, zwei liedhaften, elegant gespielten und gesungenen Stücken, die das Warten auf das Hohe C nur noch spannender machten. Cavatina und Cabaletta des Pollione aus Bellinis Norma ließen dann auch das Publikum erstmals so richtig laut werden. Zwischen Cavatina und Cabaletta des Jacopo aus Giuseppe Verdis I due Foscari wurde gar munter hineingejubelt. Vielleicht unterlief der Opernstar sogar ein wenig die offensichtlich erwartete Fußball-Stadion-Stimmung mit einer besonders duftig und leise gesungenen Arie des Mylio aus der Oper Le Roi d’Ys von Édouard Lalo. Mit der Arie des Rodolfo Che gelida manina aus Puccinis La bohème überzeugte Flórez mit den strahlenden Spitzentönen, betörte aber noch viel mehr mit seiner geschmeidigen fast erzählerisch Grundhaltung.
Den Lationo-Zugaben folgten dann noch ein paar Hohe Cs via Tonios berühmter Arie aus Donizettis La fille du régiment. Dann noch Puccinis Nessun dorma. Das Publikum durfte sogar gelegentlich mit-singen und -summen. War sicher gegen die Corona-Auflagen. Aber viel wichtiger: Flórez war da!
Bilder: SF / Marco Borelli
Übertragung am Montag 31. August um 20.30 als ARTE Concert - www.salzburgerfestspiele.at