Die pure Lust am virtuosen Gesang
FESTSPIELE / MOZART-MATINEE / JULIA LEZHNEVA
18/08/20 Die reine Freude am Wohlklang, die pure Lust am virtuosen Gesang: Die dritte Mozart-Matinee mit der Sopranistin Julia Lezhneva war sängerisch und stilistisch eine Feierstunde der Vokalkunst. Das Mozarteumorchester begleitete unter der Leitung von Gianluca Capuano. In der Zugabe war nicht von Ketten und Tränen die Rede, sondern von Hoffnung und Rosen.
Von Heidemarie Klabacher
Hört man sich „alte“ Aufnahmen mit Julia Lezhneva an, auf Youtube gibt es die Menge, ist zur wendigen und für eine so blutjunge Sängerin schon vor zehn Jahren staunenswert vollen Stimme, ein weiteres gerüttelt Maß an technischer Souveränität gekommen. Brillanz, Leichtigkeit und Klangfülle noch in den höchsten Lagen und feingliedrigsten Verzierungen sind betörend. Bei der jüngsten Mozart-Matinee, heuer ja nicht im Großen Saal, sondern im Haus für Mozart, eröffnete Julia Lezhneva ihre Publikumsbetörung mit einer die Standhaftigkeit im Sturmwind beschwörenden Arie der Amital Quel nocchier che in gran procella aus dem Oratorium Betulia liberata KV 118 und steigerte mit perlend „lachenden“ Koloraturen in der Arie Voi avete un cor fedele KV 217: Mag der Bräutigam derzeit auch ein getreues Herz haben, die Frage, ob er sie nicht doch irgendwann hintergehen, gar auslachen werde, steht immerhin im Raum... Wer solche selbst-ironischen Koloraturen auf die Welt und die Liebhaber loslassen kann, steht ohnehin über den Dingen.
Höhepunkt der Matinee waren dennoch Rezitativ und Rondo Ch’io mi scordi di te? – Non temer, amato bene KV 505, diese Musik gewordene Liebeserklärung, von Mozart für die englische Sängerin Nancy Storace komponiert. Den konzertierenden Hammerklavierpart spielte Luca Quintavalle und setzte neben Julia Lezhnevas vokale unvergleichliche instrumentale Glanzlichter.
Das Mozarteumorchester unter Gianluca Capuano begleitete an diesem Vormittag untadelig zurückhaltend. Auch die beiden Symphonien A-Dur KV 201 und g-Moll KV 183 ließen nur wenig von der klangrednerischen Bravour ahnen, mit der das Mozarteumorchester sonst aufzuspielen weiß. Der vielversprechende Senkrechtstart der „kleinen“ g-Moll-Symphonie verlief im Sande. In beiden Werken aufhorchen ließen die Hammerklaviertöne.
Die Motette Exsultate, jubilate F-Dur KV 165 brachte noch einmal mitreißenden Schwung, Mozart hatte nicht unsere „Krise“ im Sinn, als er die Arie Tu virgunum corona komponierte. Ein weiteres Beispiel für Julia Lezhnevas exemplarische Mozart-Kompetenz.
Nicht von Mozart, sondern von Händel war die Zugabe, das berühmte Klagelied Lascia ch’io pianga aus Rinaldo. Erstaunlicherweise glaubte man Lezhneva weniger von Ketten und Tränen singen zu hören, denn von Hoffnung und Rosen. Ein weiterer strahlender Höhepunkt.