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Patricia tanzt mit dem Tod

FESTSPIELE / CAMERATA / KOPATCHINSKAJA

14/08/20 Mit Tamburin und Schellenklang auf die Bühne springen sah man die Schlagzeuger der Camerata noch nie. Eine Truppe mittelalterlicher Moriskentänzer angeführt von Patricia Kopatchinskaja. Der alte Totentanz verklingt. Die Geigerin kehrt in die Stille zurück eine byzantinische Melodie auf den Saiten – im nächsten Augenblick den Frieden sprengend als Einpeitscherin in Schuberts Tod und das Mädchen.

Von Heidemarie Klabacher

Angefangen hatte es am Donnerstag (13.8.) im Haus für Mozart mit einer Jahrhundert-Wiedergabe von György Ligetis Konzert für Violine und Orchester. Ein großes Werk im Wortsinn, ein Solokonzert in der Ahnenreihe von Bach und Beethoven bis Bartók und Berg – an welche Vorgänger Ligetis Virtuosenstück denn auch immer wieder erinnert. Diesen Kosmos entfalteten Patricia Kopatchinskaja und die Camerata Salzburg unter der Leitung von Ingo Metzmacher: Vom flirrend in sich kreisende Präludium, über die „mittelalterlichen“ Teile Aria, Hoquetus und Choral über die große Melodie auf unruhiger Orchestersee bis hin zur verstörenden Passacaglia und der Solokadenz, die ganz einfach das Blut gefrieren lässt. Es war eine stupende energiegeladene Wiedergabe, der nur mit angehaltenem Atem zu folgen – und die dennoch an diesem Abend in „nur“ eine Hinführung war.

Nach dem tobenden Applaus für Solistin, Orchester und Dirigent wurden, bis auf jene der Cellisten, die Stühle von der Bühne geräumt. Stattfand die oben beschriebene Jahrmarkts-Szene. Die Camerata Salzburg, nun also im Stehen spielend, folgte seiner nunmehrigen musikalischen Leiterin Patricia Kopatchinskaja zum Tanz auf den Vulkan. Kopfüber hinein in einen Reigen, einen Bändertanz geflochten um die vier Sätze von Franz Schuberts Streichquartett Nr. 14 d-Moll D 810 Der Tod und das Mädchen. Von Patricia Kopatchinskaja, dieser Virtuosin unter den Musikanten, dieser Musikantin unter den Virtuosen ist die Kammerorchester-Fassung, von ihr ist auch das Konzept um Lieder und Tänze des Todes.

Tatsächlich folgte auf den dramatischen ersten Satz das gleichnamige Liedes Der Tod und das Mädchen D 531 in einer Bearbeitung für Streichorchester von Michi Wiancko. Der Text wird nicht gesungen, sondern von der Solistin als Sprechgesang geflüstert, gefleht, gedroht: Suspense pur. Spätestens ab diesem Zeitpunkt hielt das Publikum wieder kollektiv den Atem an. Kopatchinskajas Orchesterfassung des Streichquartettes lässt den Part der ersten Geige immer wieder auch solistisch aufblühen, einen Gutteil aber spielt die Virtuosin mit den ersten Geigen mit. Eine gleiche unter Gleichen im ständigen intensiven Austausch und Dialog.

Dass in dieser hochdramatischen Programmfolge Raum blieb für sichtlich heiteres Spiel mit ping-pong-artig einander zugepfefferten Klangbällen war zusätzlich betörend: Man hat nicht Grabesstimmung inszeniert, sondern den Tod irgendwie mitten ins Leben gerissen. Auch kein schlechter Kommentar zur „Situation“.

Auf das Andante von Schubert folgte eine Pavane von John Dowland aus Lachrimæ, or Seaven Teares für Streichquintett. Einen weiteren Ruhepunkt, Zeit für Tränen und zum Trocknen der Tränen, setzen fünf Orchestermitglieder mit György Kurtágs Ligatura-Message to Frances-Marie (The answered unanswered question). Direkt vor dem vierten Satz Schubert flüsterte Kopatchinskaja das Wort „Ruhelos“ aus Kurtágs Kafka-Fragmente op. 24. Es folgte attaca ein Presto, das Tod und Teufel das Fürchten und das Publikum das Jubeln gelehrt hat.

Übertragungen – Dienstag 18. August 19.30 auf Ö1 und Mittwoch 9. September 20.05 auf BR
Bild: SF / Marco Borggreve (1);

 

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