asdf
 

Vertrieben von den Geigenpulten der Wiener Philharmoniker

VERTRIEBENE JÜDISCHE FESTSPIEL-KÜNSTLER (4) / PAUL FISCHER, JULIUS STWERTKA

14/08/20 Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze, heißt es. Aber noch viel weniger Orchester- und Kammermusikern. Auch solche finden sich unter jenen 28 Festspielkünstlern, für die am kommenden Montag (17.8.) vor dem Haus für Mozart Gedenksteine verlegt werden.

Von Gert Kerschbaumer

Paul Fischer und Julius Stwertka waren Mitglieder des Staatsopernorchesters und damit auch der Wiener Philharmoniker, und sie gehörten dem angesehenen Rosé Quartett um den Geiger Arnold Rosé an.

Paul (Salo) Fischer, geboren 1876 in Wien, sein Vater war Kantor des Wiener Stadttempels und Bürger der Stadt Wien. Paul Fischer konvertierte 1913 zum katholischen Glauben und heiratete die Katholikin Leopoldine Pohl, Solotänzerin an der Wiener Hofoper. Fischer war ab 1905 Zweiter Geiger im Rosé Quartett, mit dem er neun Mal im Großen Saal des Mozarteums auftrat. Anfang der 1930er Jahre erwarb das Ehepaar Leopoldine und Paul Fischer in Morzg bei Salzburg ein kleines Haus, das unter dem NS-Regime nicht enteignet wurde, weil nur die Ehefrau, die keine Jüdin war, im Grundbuch als Eigentümerin aufscheint.

Im März 1938 – ehe in Österreich die „Nürnberger Rassengesetze“ in Kraft traten – wurde Paul Fischer 61-jährig aus dem Orchester der Wiener Staatsoper und Philharmoniker vertrieben, daraufhin zwangspensioniert (mit gekürzter Pension, um deren Bezug er zu kämpfen hatte). Im nationalsozialistischen Wien geriet die Familie Fischer in eine Notlage. Ein schweres Unglück kam hinzu: der Tod des 26-jährigen Sohnes Paul im Februar 1941 – vermutlich Suizid. Im Frühjahr 1942 wurde die Familie aus ihrer Wohnung im 5. Bezirk vertrieben und im 2. Bezirk in eine „Sammelwohnung“ gepfercht. Der an Neuritis leidende Paul Fischer starb 66-jährig 1942 im jüdischen Krankenhaus.

Julius Stwertka, 1872 in Wien geboren, blieb Jude und konnte dennoch als Geiger Karriere machen: Konzertmeister am Hamburger Stadttheater und an der Wiener Hofoper, Mitglied der Wiener Philharmoniker, Professor am Wiener Konservatorium und an der Musikakademie, schließlich Geiger im Rosé-Quartett, mit dem er – als Bratschist – zwei Auftritte bei den Festspielen hatte.

Julius Stwertka befand sich bereits anderthalb Jahre im Ruhestand, als die jüdischen Künstler im März 1938 aus dem Orchester der Wiener Staatsoper und Philharmoniker vertrieben wurden. Die Familie Stwertka blieb allerdings im nationalsozialistischen Wien. Einem Bruder gelang die Flucht nach Haifa, zwei weitere Geschwister kamen in Konzentrationslagern um. Dasselbe Schicksal erlitten schließlich Julius Stwertka und seine Frau, die Sängerin Rosa Kohlberg und ihre beiden Kinder. Julius starb 70-jährig im KZ Theresienstadt, Rosa und ihre Kinder Franz und Grete befanden sich unter den 2.500 Jüdinnen und Juden, die das KZ Theresienstadt am 16. Mai 1944 in Güterwaggons verließen, tags darauf in Auschwitz eintrafen und in Gaskammern ermordet wurden. (Wird fortgesetzt)

Die Künstlerinnen und Künstler, für die am 17. August Gedenksteine verlegt werden – www.stolpersteine-salzburg.at  
Beim anschließenden Festakt um 18 Uhr sprechen die Präsidentin der Salzburger Festspiele Helga Rabl-Stadler, die Direktorin des jüdischen Museums Danielle Spera, der Historiker Gert Kerschbaumer, der die Biografien der 28 Künstlerinnen und Künstler recherchierte, und der Dirigent Daniel Barenboim.
Bilder: www.stolpersteine-salzburg.at (2); Wiener Philharmonier (1); Wikimedia (1)
Über Alma Rosé Geigerin von hohem Rang und schönster Zukunft
Über Margarete Wallmann „Très chère Wallfrau“
Über Rosette Anday Aus Piroska wurde Rosette
Über Arturo Toscanini (1) Glamour mit starken politischen Signalen
 

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014