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Nicht live, doch voll dabei!

HINTERGRUND / FESTSPIELE / MEDIEN

04/08/20 8 Stunden. 23 Minuten. 25 Sekunden. Der Contdown läuft. Heute Dienstag (4.8.) um 20.30 Uhr geht das zweite Konzert von Igor Levit online. Der erste Abend, mit dem Levit die Beethoven-Interpretation bereits für immer verändert hat, ist inzwischen online. Auch die Opern Elektra und Così fan tutte sind als ARTEconcert kostenfrei dreißig Tage lang abrufbar. ORF III, ORF2 oder 3SAT bieten ein ebenso volles Festspielprogramm wie etwa BR oder Ö1.

Von Heidemarie Klabacher

Auf Start klicken? Und riskieren, dass der überwältigende Eindruck – eines für die Zukunft prägenden Konzerterlebnisses – vom Nachhören aus der Konserve überlagert wird? Erinnerung speichert besser als Festplatte. Schon. Aber es waren, der Startbildschirm verrät es auf die Sekunde genau, 1 Stunde 24 Minuten und 34 Sekunden mit denen Igor Levit alles auf den Kopf gestellt hat, was man je als „Beethoven-Sonate“ gehört hat (und da gehören Live-Begegnungen mit den größten der Großen und deren Einspielungen dazu). Die Details von vier Sonaten kann man auch bei lebendiger Erinnerung nicht mehr alle einzeln abrufen. Also doch Startbutton.

Und wieder ist man – es gilt nur die etwas herzblutige Anmoderation von Tobais Moretti hinter sich zu bringen – zurück im Haus für Mozart. Mit angehaltenem Atem und höchster Aufmerksamkeit...

Es gibt ja in diesem, dem Virus abgetrotzten Festspielsommer nur gut ein Drittel der üblichen Termine und Karten. Umso üppiger fällt die Zahl der via Internet und Fernsehen (Radio sowieso) gesendeten und gestreamten Veranstaltungen aus. Bei all dem Corona-Wirbel geht fast ein wenig unter, wie sensationell das Angebot ist. Wie einladend die, von Unkundigen immer noch als elitär verschrieenen Festspiele, sich diesen Sommer einem Millionenpublikum öffnen. Das Angebot entzieht sich schier einer lückenlosen Aufzählung.

Den ganzen „modifizierten“ Festspielsommer lang präsentiert der Sender ARTE täglich um 20.30 Uhr als ARTEconcert einen Festspieltermin als Stream. Den Auftakt machte am 1. August die live zeitversetzt gesendete Übertragung von Richard Strauss' Oper Elektra. Die sängerische, musikalische und szenische Jahrhundert-Produktion ist über die Website der Festspiele online ebenso frei zugänglich, wie Mozarts Così fan tutte und – vorläufig – eben das erste Konzert von Igor Levit. Der Countdown hat inzwischen weiter heruntergezählt... ORF III, ORF2 und 3SAT übertragen ebenfalls von den Festspielen. Am 22. August etwa gibt es via 3 SAT den aktuellen Jedermann. Auch verschiedenste Aufzeichnungen von Opernknüllern vergangener Jahre von Salome rückwärts via La Traviata oder Rosenkavalier bis zum unvergesslichen Guth-Harnoncourt Figaro von 2006. Einige der ausstehenden Levit-Abende werden ebenfalls live zeitversetzt übertragen.

Das erste Konzert im Beethoven-Zyklus von Igor Levit vom Sonntag (2.8.) ist klug gefilmt. Wo die Kameras stehen, auch in allernächster Nähe des Pianisten und des Instruments, hat man ja im Konzert gesehen. Nah- und Großaufnahmen waren zu erwarten. Die „vierte Wand“ zwischen Künstler seinem Publikum wird vielfach durchbrochen. Was eigentlich die Grenze zur Indiskretion überschreitet, wird durch eleganten Schnitt und kluge Regieführung abgefedert. Das pianissimo vorgestellte Thema des dritten Satzes Waldsteinsonate fängt die am weitesten entfernte Kamera ein. Das ist gut gemacht. Und es ist schon irgendwie beruhigend zu sehen, dass doch nur zehn Finger diese pianistischen Wunder vollbringen...

Interessant ist die nachträgliche Bestätigung eines ganz anderen Höreindrucks: Niemand hat auf diese 1 Stunde 24 Minuten und 34 Sekunden gehustet. Auch nicht in den Satzpausen, auch nicht zwischen den vier Sonaten. Nicht einmal in den pianissimo-Passagen. Ein disziplinierteres Publikum habe ich noch nie erlebt.  Gilt übrigens auch für die anderen bisher gehörten Konzerte.

Machen es die Masken, die doch viele im Publikum auch während des Konzerts aufbehalten (was empfohlen aber nicht vorgeschrieben wird) und das Bewusstsein für die Kostbarkeit der Situation, die nur zu leicht auch einfach nicht stattfinden könnte...

Übertragungen und Ausstrahlungen - www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: Stills aus dem ersten ARTEconcert mit Igor Levit
Zur dpk-Kritik vom ersten Konzert in Igor Levits Beethoven-Zyklus
Anschläge auf die Möglichkeit des Trostes

 

 

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