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Frauen am Festspiel-Opernpult?

HINTERGRUND / FESTSPIELE

28/07/20 Wir müssen eingestehen: Wir sind einer Ente der Salzburger Festspiele aufgesessen. Aber wir wissen uns in bester Gesellschaft. Auch alle Printmedien haben es geschluckt, als die Festspiele etwas salopp verkündeten, Joana Mallwitz werde die erste Frau sein, die hierorts eine Oper (Mozarts Cosi fan tutte) dirigiert.

Von Reinhard Kriechbaum

Glücklicherweise haben wir im DrehPunktKultur Mitarbeiter mit – erstens – sehr gutem Gedächtnis und – zweitens – einem Fundus an alten Programmheften. Ein solches hat Gottfried Franz Kasparek hervorgezaubert. Siehe da: Im Festspielsommer 2004 leitete Julia Jones alle vier Aufführungen von Mozarts Entführung aus dem Serail. Das war nicht irgendeine Produktion, sondern jene viel diskutierte Inszenierung, aus der Stefan Herheim den Selim Bassa hinaus redigiert und in die er dafür viele Bräute und viele Bügelbretter hinein gebracht hat. Ein gutes Stück Inszenierungs-Geschichte der Festspiele, zuerst heftig umstritten, sehr bald aber akzeptiert.

2004, im Jahr der Wiederaufnahme, hat Julia Jones die Aufführung im damaligen Kleinen Festspielhaus von Ivor Bolton übernommen. Die 1961 geborene Engländerin hatte damals nicht nur als Mozart-Dirigentin schon einen guten Ruf. Von 1991 bis 1995 war sie zweite Kapellmeisterin und Assistentin der Generalmusikdirektorin Alicja Mounk in Ulm gewesen. Nach drei Jahren in Darmstadt wechselte sie 1998 als Opern-Chefin an das Theater Basel. Seit 2002 ist sie freischaffend tätig und dist häufig zu Gast an der Wiener Staatsoper und der Volksoper, nicht selten steht sie auch in der Oper Frankfurt und in der Berliner Staatsoper Unter den Linden am Pult. Im Sommer 2016 wurde Julia Jones Generalmusikdirektorin in Wuppertal.

War also Julia Jones die erste Frau am Festspiel-Opernpult? Wir haben das Online-Archiv der Festspiele gründlich durchgestöbert und sind auf den Namen Anne Manson gestoßen. Sie war wirklich die erste, die hier im Festspielsommer eine Oper dirigiert hat. 1994 war es, als sie für Claudio Abbado einsprang und Modest Mussorgskijs Boris Godunov leitete. In einem Porträt in der New York Times wird anerkennend festgehalten, dass Anne Manson mit diesem Operndirigat auch die erste Frau am Pult der Wiener Philharmoniker war: „This breakthrough came three years before this obdurately all-male orchestra hired its first female player.“

Der Salzburger Boris Godunov mit den Wiener Philharmonikern macht sich gut im Lebenslauf der amerikanischen Dirigentin, die damals die in London beheimatete Mecklenburgh Opera (1987-1996) leitete. Danach ist sie in Europa nur wenig in Erscheinung getreten. Sie wurde Chefdirigentin der Kansas City Symphony und steht jetzt dem Manitoba Chamber Orchestra vor. In amerikanischen Opernhäusern ist Anne Manson ständiger Gast.

Joana Mallwitz, in diesem Festspielsommer Dirigentin von Mozarts Cosi fan tutte, ist also die dritte Frau an einem Festspiel-Opernpult. Eigentlich hätte es ja Die Zauberflöte sein sollen, aber Corona brachte es anders. Im Alter von 27 Jahren war Joana Mallwitz die damals die jüngste Generalmusikdirektorin Europas, in Erfurt. Derzeit ist sie Generalmusikdirektorin am Staatstheater Nürnberg. 2019 wählte die Zeitschrift Opernwelt die 1986 in Hildesheim geborene Musikerin zur Dirigentin des Jahres.

In der Online-Biographie auf der Website der Salzburger Festspiele hat man übrigens schon präzisiert: Joana Mallwitz ist „die erste Frau in der Geschichte der Festspiele, der eine gesamte Aufführungsserie anvertraut wird.“ Das stimmt, sofern man die Serie der Entführung 2004 nicht für ganz voll nimmt.

Bilder: Atamari (1); www.annemanson.com (1); Salzburger Festspiele / Anne Zeuner (1)
Zum Bericht über die bevorstehende „Cosi fan tutte“
Liebesschule im Eilverfahren

 

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