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Liebesschule im Eilverfahren

HINTERGRUND / FESTSPIELE / COSI FAN TUTTE

21/07/20 Vielleicht legen wir ja Werk-Strenge in Sachen Oper heutzutage viel zu rigoros aus: „Mozart wäre wohl der Erste gewesen sei, der für Cosi fan tutte in der Corona-Zeit eine Fassung gefunden hätte“, sagt die Dirigentin Joana Mallwitz. „Er selbst hat ohne zu zögern gestrichen und hinzukomponiert, wie er es gerade brauchte.“

Von Anne Zeuner

Und es war ja damals durchaus üblich, dass Komponisten sogar – um die jeweiligen Sängerinnen und Sänger optimal zu bedienen – bei Bedarf Einlagearien für Stücke ihrer Kollegen hinzu komponiert haben. Im Fall von Cosi fan tutte, wie sie uns in diesem Festspielsommer begegnen wird, war genau der gegenteilige Weg gefragt. Das Werk muss kürzer werden, auf dass man es ohne Pause spielen kann und dem Publikum möglichst keine urologische Pein zumutet. Also zwei Stunden zehn Minuten als Richtwert. Zwei Tage und zwei Nächte sind Regisseur Christof Loy und Dirigentin Joana Mallwitz per Telefon verbunden vor ihren Partituren gesessen und haben „unter Schmerzen“, wie die Dirigentin sagt, „einen Strich nach dem nächsten“ gemacht.

Es sei eine Fassung von Wolfgang Amadeus Mozarts Oper entstanden, „die es in anderen Jahren nicht gegeben hätte“. Eine Sonderversion für die Corona-Zeit eben, sagt Joana Mallwitz. Darin werde „so viel wie möglich von Mozarts Geist“ enthalten ist, sagt die Dirigentin. Es seien viele kleine Sprünge enthalten, sowohl in Rezitativen als auch in den Arien, und insgesamt seien möglichst wenig ganze Nummern gestrichen worden.

Dass es in diesem Jahr überhaupt eine Così fan tutte-Inszenierung bei den Salzburger Festspielen gibt, sei Christof Loy zu verdanken, sagt Intendant Markus Hinterhäuser, der außerdem von der besonderen Atmosphäre während der Proben berichtet. Es sei bemerkenswert, wie viel Freude und Zuversicht er in den Augen der Künstler sehen könne. „Wir müssen Mechanismen finden, auch in der Kultur mit dem Virus zu leben und der gesamten Situation hoffentlich irgendwann unaufgeregter entgegenzutreten“, sagt er. Deshalb sei es ein wichtiges Zeichen für die gesamte Kulturszene, in diesem Jahr Festspiele zu machen.

Sein Leben lang beschäftigt sich Christof Loy bereits mit dieser Mozart-Oper, vor zwölf Jahren habe er die Cosi zuletzt an der Oper Frankfurt inszeniert. Auch habe es jetzt weh getan, zu streichen, versichert der Regisseur. „Auf der anderen Seite hatte ich damals die Erfahrung gemacht, dass man an manchen Stellen ein bisschen strecken musste, um die Handlung im Fluss zu halten“, sagt er. Daher sei diese Fassung kein Rumpf und auch kein Fragment, vielmehr erinnere sie von der Länge „an die großen Inszenierungen der 1950er Jahre“.

Così fan tutte sei eine Oper, die eine fast unerträgliche Spannung zwischen Freude und Schmerz erzeuge. Der erste Akt sei geprägt von einer starken Frivolität, der zweite Akt komme jedoch oft schlecht weg, werde gar manchmal als langweilig betitelt. Er wolle daran arbeiten sowohl das Heitere als auch das Tragische so zu bündeln, „so dass der tiefe Sturz deutlich spürbar“ wird, sagt Christof Loy. Für ihn liege vor allem Melancholie über dem ganzen Stück. Lustig werde es nur, wenn Missverständnisse auftreten. „Ich inszeniere die Oper nicht auf einen komischen Effekt hin“, sagt er. „Es hat mich bei meiner Arbeit in Frankfurt sogar gewundert, dass die Zuschauer so viel gelacht haben.“ Für ihn sei es ein zeitloses Stück, weil sich jeder sofort mit den Figuren identifizieren könne. Er setze auf eine minimalistische Ästhetik und „das hat nichts mit Corona zu tun, das ist einfach meine Sicht auf dieses Werk“.

Die Figur des Don Alfonso etwa sehe er nicht zynisch oder frauenverachtend, wie sie oft dargestellt werde. „Ich möchte ihn vor allem als Menschenfreund zeigen“, sagt er. „Er macht in meinen Augen dieses Experiment mit den beiden jungen Paaren, um sie im Eilverfahren auf die Kompliziertheit des Lebens hinzuweisen und sie vor Enttäuschung zu schützen.“ Don Alfonso stehe für Aufklärung.

Über eine Sache waren sich Christof Loy und Joana Mallwitz, die zum ersten Mal gemeinsam arbeiten, schnell einig: Sie möchten nicht unterscheiden, wo die Liebesschwüre echt sind und wo nur geheuchelt. Es gehe „um ehrliche Gefühle, das spiegelt sich auch in der Musik“, sagt die Dirigentin.

Im Moment sitze sie viel mit dem Ensemble zusammen am Klavier, um den größtmöglichen Ausdruck zu finden. „Der Ton des Sängers sollte mitten ins Herz treffen“, sagt die Dirigentin, die mit Così fan tutte ihr Debüt bei den Salzburger Festspielen gibt. Sie ist die erste Frau, die bei den Salzburger Festspielen eine Oper dirigiert. Bei Mozart sieht sich die Dirigentin „immer als Gegenspielerin, nicht als Mitspielerin“. Die Wiener Philharmoniker seien großartig. Bei den Proben mit dem Klangkörper versuche sie vor allem authentisch zu sein, aber auch durchlässig für die Impulse, die ihr entgegenkommen. Sie habe eine klare Vorstellung von der Oper und „möchte ein echtes Kantabile“ hören, sagt sie.

Dass Christof Loy im Großen Festspielhaus inszeniert, sei für ihn kein Widerspruch, auch wenn es sich um ein Kammerspiel handelt. „Ich fühle mich auch bei kleineren Stücken oft wohler, wenn ich Weite habe zum Inszenieren“, sagt der Regisseur. „Ich arbeite oft choreografisch und dafür brauche ich Platz.“ Er habe außerdem die Spielfläche extrem weit nach vorne gezogen. „Die Figuren sind dadurch so nah wie ich es noch nie gesehen habe.“

Cosi fan tutte hat am 2. August im Großen Festspielhaus Premiere, weitere Vorstellungen gibt es am 5., 9., 12., 15., 18. August – www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: Pressebüro der Salzburger Festspiele / Anne Zeuner

 

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