Die neue Jedermann-Normalität
HINTERGRUND / FESTSPIELE
29/06/20 Dass etwas im Busch ist, hat man schon vorige Woche mitbekommen: ein Scherengitter-Geviert rund um die Mariensäule, Paletten mit weiteren Absperrungen, und auf diesen für Hubstapler tauglichen Tragebrettern der Schriftzug Jedermann, damit alle wissen, wo die Dinge hingehören: ein Hauch von Festspiel-Vor-Feeling, auch wenn es noch eine Zeit hin ist, bis es heuer los geht.
Von Reinhard Kriechbaum
Dass in diesen Juni-Tagen die Tribüne auf dem Domplatz aufgestellt wird, wäre in einem „normalen“ Jahr nicht einmal eine Randnotiz wert. Diesmal schon, verbunden mit der leisen Verwunderung, dass man auch heuer so früh dran ist, obwohl die Jedermann-Premiere erst am 1. August spätabends sein wird.
Ab heute jedenfalls kann man beobachten, wie die Tribüne und damit ein gutes Stück Jedermann-Normalität zusammengeschraubt wird. „Bis zum 4. Juli steht bereits die Tribüne fertig auf dem Domplatz. Bis 20. Juli entsteht außerdem die Bühne, und die Veranstaltungstechnik – Licht, Ton, Video, Hydraulik und Bühnentechnik – wird ebenfalls bis dahin fertig eingerichtet sein.“ So der Zeitplan laut Presseaussendung heute Montag (29.6.).
Wie wird die neue Jedermann-Normalität genau aussehen für das Publikum? Aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie werden in diesem Jahr 1180 Menschen auf dem Domplatz Platz finden können. Und davon sind 180 Schönwetterkarten. Das heißt, wenn bei schlechtem Wetter im Großen Festspielhaus gespielt wird, bekommen die Besitzer der Schönwetterkarten ihr Geld zurück, da im Großen Festspielhaus nur tausend Plätze bewilligt sind. „Prinzipiell setzen sich die Menschen im Einser-Schachbrett“, so die Vorgabe. Es wird heuer auf dem Domplatz keine Stehplätze geben.
Die Wiederaufnahme von Hugo von Hofmannsthals Jedermann steht 14mal auf dem Spielplan der Salzburger Festspiele 2020. In der Inszenierung von Michael Sturminger und seinem Team übernimmt Caroline Peters die Rolle der Buhlschaft an der Seite von Jedermann Tobias Moretti. Im Vorjahr spielte Caroline Peters die weibliche Hauptrolle in der Uraufführung von Theresia Walsers Die Empörten. Neu im jedermann-Ensemble sind im Jubiläumsjahr Pauline Knof (Schuldknechts Weib) und Gustav Peter Wöhler (Dicker Vetter).
Abgespeckt sind logischerweise auch die Aktivitäten am echten Jahrestag, aber immerhin: Das Jubiläum der ersten Aufführung des Jedermann vor hundert Jahren wird am 22. August mit einer Abendvorstellung sowie einer Lesung der Jedermann-Darsteller Klaus Maria Brandauer, Peter Simonischek, Tobias Moretti, Cornelius Obonya, und Philipp Hochmair gefeiert.
„Es ist eine besondere Freude, dass der Jedermann als Gründungsstück der Salzburger Festspiele im Jubiläumsjahr unter veränderten Bedingungen nun doch stattfinden kann“, sagt Bettina Hering, Leiterin des Schauspiels der Salzburger Festspiele. Auf schönes Wetter hofft sie natürlich nicht nur aus Mitgefühl mit jenen, die Schönwetterkarten gekauft haben.