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Den ganz Großen ganz nah!

FESTSPIEL-REPORTAGE / STATISTEN-CASTING ZAUBERFLÖTE

01/02/20 „Wir waren im Vorjahr bei Idomeneo dabei. Wir hatten ein ganz besonders Glück und fast so etwas wie richtige Rollen bekommen. Wir waren die Wächter.“ Josef und Marvin haben das Glück erneut auf die Probe gestellt und sich mit 24 weiteren Anwärtern dem Statisten-Casting für die Zauberflöte gestellt.

Von Heidemarie Klabacher

An die Wächter im Idomeneo erinnert man sich gut. Sie wurden in der DrehPunktKultur-Kritik sogar erwähnt: „Die gefangene trojanische Prinzessin Ilia hat sich mit einer Gruppe Migranten einer Flüchtlingskommission am Grenzzaun zu stellen (irgendwer hat auch auf Kreta eine Balkanroute geschlossen). Die beiden Maschinengewehr-Träger verschwinden (und damit die einzige konkrete Anspielung auf modernen Krieg), nachdem Prinz Idamante die Schutzsuchenden als freie Menschen ins Land aufgenommen hat.

Am Freitag (31.1.) Nachmittag beim Statisten-Casting haben wir die beiden Wächter a.D. kennen gelernt: Josef ist 37, schaut aus wie 17 und ist Trainer im Fitnessbereich. Marvin ist 24 und studiert Kultur- und Sozialanthropologie. „Vielleicht haben wir ja noch einmal so viel Glück. Vielleicht fällt das Glück aber auch in eine ganz andere Richtung.“

Es war der Ideomeneo von 2019 in der Regie von Peter Sellars unter der musikalischen Leitung von Teodor Currentzis in der Felsenreitschule. Marvin und Josef sagen, was weitere Statistinnen und Statisten, die auch schon einmal „dabei“ waren, beinah wortgleich ausdrücken: Es sei eine Ehre und ein überwältigendes Erlebnis gewesen, mit den jeweiligen Weltklasse-Sängern auf einer Bühne stehen und tatsächlich als als Teil einer Produktion hautnah Festspiel-Flair erleben zu dürfen.

Den „guten kollegialen Umgang“ der Großen im Team mit den Statisten betont Barbara. Sie ist Tänzerin und studiert Musik und Sport und war bereits zweimal „dabei“. Einmal in der Schar der Sklavinnen und Priesterinnen in der Aida 2017 mit Anna Netrebko in der Titelrolle, das zweite Mal ziemlich prominent „als nackte Schwangere“ 2018 in den Basseriden: Sie hatte mehrere Allein-Auftritte und sei auch allein durch die beleuchteten Arkaden gegangen. „Das war für eine Kleindarstellerin ein großer Auftritt. Es hat auch wirklich spektakulär ausgeschaut.“ Es war natürlich ein Nackt-Kostüm, ergänzt Barbara.

Die Herausforderung ist dennoch groß. Die Statistinnen und Statisten würden von den jeweiligen Regisseurinnen und Regisseuren genauestens über das Konzept informiert, betont Barbara Crotti, die Leiterin der Statisterie der Salzburger Festspiele. Sie nennt als Beispiel aus 2015 Wolfangs Rihms Die Eroberung von Mexiko: „Da waren die Damen wirklich sehr leicht bekleidet. Sie stellten das Gold von Mexiko dar.“ Da habe es einen eigenen Termin mit der Kostümbildnerin gegeben, die das Konzept ganz genau erklärt habe. Tatsächlich sei noch nie jemand angesichts solcher Herausforderungen in Panik geraten. Einmal habe, erinnert sich Barbara Crotti, ein Statist unter einem Bärenkostüm ein klaustrophobisches Problem bekommen, „zwei Tage vor der Generalprobe“. Sie persönlich mag freilich das „Adrenalin“, das ausgeschüttet wird, um ein auftretendes Problem prompt zu lösen. Sie habe eine große Datei an potentiellen Interessierten. Man könne sich aber auch direkt bei den Festspielen melden. Zwei Wochen vor einem Casting gingen die Aufrufe auf verschiedenen Plattformen online. Sie selber, so Crotti, gehe kaum einmal auf die Straße und unter Menschen, ohne zu denken, ihn könnte ich dafür brauchen, sie wäre gut dafür... „Ich caste permanent.“ Dennoch habe es sich erst einmal ergeben, dass sie tatsächlich jemanden auf der Straße angesprochen hat. Aus Termingründen sei aber nichts daraus geworden.

Die Anforderungen an Statisten seien so verschieden, wie die Produktionen und deren Regisseure und Regisseurinnen. Oft seien musikalische oder tänzerische Vor- oder Ausbildung von Vorteil. So werde etwa häufig darauf geschaut, wie gut sich Anwärter Bewegungsfolgen merken oder Bewegungen auf Taktschlag umsetzen können. „Gerade in der Oper sollen sich die Statisten auch eigenständig an der Musik orientieren können.“

Stichwort: Zauberflöten-Casting! „Sieben Herren, agil, spielfreudig, verschiedener Statur 20 bis 60 Jahre“ wurden am Freitag (31.1.) gesucht. Weiters 22 Damen unterschiedlichster Statur und Sportlichkeit.

„Man sucht zunächst nach einem Typus, nach einem Look“, schildert die Regisseurin Lydia Steier, die ihre Zauberflöte von 2018 neu herausbringen wird, ihr Vorgehen bei einem Casting. Aktuell gesucht wurde auch eine „alte Papagena“ zwischen 45 und Sechzig, die auch zu sprechen haben wird. „Unsere Statistinnen und Statisten stehen neben den besten Bühnenkünstlern unserer Zeit. Sie müssen sich behaupten können.“

Einer, der sich schon behauptet hat, ist Wolfgang, ein ausgebildeter Tänzer: Er war „Der Baum“ in der Alcina unter der musikalischen Leitung von Gianluca Capuano in der Regie von Damiano Michieletto. Er habe, so Wolfgang, „nicht im Traum daran gedacht“, je mit einer Cecilia Bartoli auf einer Bühne stehen zu dürfen. Ihre Disziplin – „Sie ist bei jeder Probe dabei“ – und ihre Bühnepräsenz seien überwältigend gewesen: „Die Bartoli macht allen das Spielen leicht. Wer vor ihr Angst haben soll, der hat auch Angst vor ihr.“ Nicht weniger beeindruckt war er von Kristina Hammarström, der Bradamante. Nun hat sich Wolfgang, der Baum aus Alcina, zum Zauberflöten-Casting wieder gemeldet.

Neu in der Runde der Aspiranten war Christian. Er arbeitet in der Transportlogistik und „hatte die Ideee schon in der Volkschule“. Er wollte das schon immer einmal machen, hatte aber „25 Jahre lang keine Zeit“. Nun hat Christian sich der Regisseurin Lydia Steier und der Statisterie-Chefin Barbara Crotti gestellt. Was verlangt wurde? „Es ist darum gegangen, auf verschiedene Arten zu gehen oder zu sitzen, arrogant oder überheblich, oder verdutzt. Verdutzt kam mir leichter vor, als überheblich.“ Im Festspielsommer 2020, im Jubliäumsjahr, werde man auch in der Statisterie alle Rekorde brechen, erzählt Barbara Crotti: „Wir werden insgesamt 350 Statisten brauchen. Allein 140 für Don Giovanni.“

Casting-Aufrufe zu Don Giovanni – Anmeldungen für Herren bis 9. Februar und Anmeldungen Damen bis 23. Februar - www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: SF / Ruth Walz (1); Matthias Horn (1); dpk-klaba (3)
Zur dpk-Besprechung von Idomeneo
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