Engel singen. Ende.
SALZBURGER FESTSPIELE 2020 / SCHAUSPIEL
15/11/19 Und Jedermann wird nach 100 Jahren Leben und Sterben mitsingen können. Neben der Wiederaufnahme sind zwei Uraufführungen, drei Neuinszenierungen und vier Lesungen die Teile des Schauspiel-Programms 2020 der Festspiele.
Von Franz Jäger-Waldau
Ein Volksgericht versucht vielleicht, ihn an die Wand zu stellen, aber Peter Handke steht bei den Festspielen auf der Bühne. Die Uraufführung von Zdeněk Adamec findet am 26. Juli im Salzburger Landestheater statt. Ein Mensch geht eines Tages durch Prag – und zündet sich selbst an. Eine Begebenheit von der Art, die unproblematisch ist, bis sie wahr wird. Peter Handke beschreibt den historischen Fall des 18-jährigen Tschechen Zdeněk Adamec aus dem Jahr 2003, der sich aus Protest gegen so gut wie alles auf der modernen Welt auf dem Wenzelsplatz in Prag verbrannt hat. Der Täter selbst ist aber nicht Protagonist, sondern eine Gruppe Menschen, die mit seinem Tod zu leben hat. Regisseurin Friederike Heller: „Auch wenn es nicht immer so leicht ist, es miteinander auszuhalten, aber die schaffen das, die reden miteinander.“ Es spielen: Matthias Brandt, André Kaczmarczyk, Eva Löbau, Sophie Semin, Barbara Sukowa und andere.
1677 verunglückt ein Bergmann kurz vor seinem Hochzeitstag im schwedischen Falun. 50 Jahre später wird sein im Berg konservierter Leichnam geborgen und von seiner greisen Braut identifiziert. Hugo von Hofmannsthals Drama Das Bergwerk zu Falun beruht auf dieser Begebenheit. Der Text entstand zwischen 1899 und 1911 und zählt zu Hofmannsthals Frühwerken. Er zeigt eine unbekanntere der vielen Stimmen des Autors des Jedermann. Jossi Wieler macht Regie, es spielen neben anderen Katja Bürkle, André Jung, Marcel Kohler, Lea Ruckpaul und Hildegard Schmahl. Die Neuinszenierung wird ab dem 15. August im Landestheater zu sehen sein.
Mit Richard III., dessen Herrschaft den Endpunkt der Rosenkriege darstellt, betritt eine der komplexesten Figuren der Theaterliteratur zum ersten Mal die Festspielbühne. Und das mit dem Körper von Lina Beckmann, die als Rose Bernd 2017 bei den Salzburger Festspielen bereits zu sehen war. Premiere ist am 28. Juli Premiere auf der Perner-Insel in Hallein.
Wie William Shakespeare war Friedrich Schiller ein geschätzter Autor des Festspielgründers Max Reinhardt. Maria Stuart war trotzdem noch nicht bei den Festspielen zu sehen. Schillers Spätwerk erzählt eine intime Geschichte von körperlicher Gefangenschaft und geistiger Freiheit: „Der Ring macht Ehen / Und Ringe sind's, die eine Kette machen.“ In der Regie von Burgtheaterdirektor Martin Kušej kommt das Trauerspiel in fünf Akten auf der Pernerinsel heraus. Bibiana Beglau ist Elisabeth, Birgit Minichmayr als Maria Stuart. Premiere am 16. August.
19 Jedermänner brachten es in der Salzburger Aufführungsgeschichte auf 37 verschiedene Buhlschaften. Jedermanns eigenes Verschiedensein ist vorübergehend, selbstverständlich wird er 2020 wiederbelebt. Die ausgezeichnete Valery Tscheplanowa kehrt allerdings nicht zu ihm zurück. Aber vierzehnmal darf er, gespielt von Tobias Moretti, die neue Buhlschaft Caroline Peters in der Inszenierung von Michael Sturminger von neuem verlieren. Premiere ist in der Jubiläumssaison schon am 18. Juli.
Die Vorlage für Hofmannsthals Spiel vom Sterben des reichen Mannes, das spätmittelalterliche englische Everyman, ist auch die Vorlage für eine für 2020 geplante Uraufführung: In einer dem Gespenst unserer Zeit angemessenen Gestus wird Everyman in Milo Raus Inszenierung dialektisch abgepaust zu Everywoman. Everywoman hat alle gesellschaftlichen Rollen im Leben gespielt und alle Städte dieser Welt gesehen: Geld, Sex, Partys und Arbeit – sie kennt weder Moral noch Maß, erst im Antlitz der Vergänglichkeit erkennt sie, dass sie ihr Leben ändern muss. Die Uraufführung ist eine Koproduktion mit der Schaubühne Berlin in Zusammenarbeit mit dem IIPM – International Institute of Political Murder. Premiere ist am 8. August in der Szene Salzburg.
Auch vier Lesungen sind Teil des Schauspielprogrammes: Das Ensemble der Jedermann-Produktion 2020 lässt Künstlerinnen und Künstler aller Genres zu Wort kommen und entwirft ein vielfältiges Bild des Schauspielers, Regisseurs, Kollegen, Intendanten und Mitbegründers der Salzburger Festspiele: Max Reinhardt. „Nur Mut! Wir werden es schon schaffen!“ – Lesung aus Berichten und Dokumenten über Max Reinhardt findet am 31. Juli im Landestheater statt.
Unter der Überschrift „Mündliches und Schriftliches“ beteiligen sich u.a. Marina Galic, Jens Harzer und Angela Winkler an einer Marathon-Lesung aus dem Werk von Literatur-Nobelpreisträger Peter Handke. Sie findet am 4. August im Landestheater statt.
Franz Kafka, ein schriftstellerischer Solitär seiner Zeit, verfügt über ein reiches Arsenal von Stimmen: Die Parabel gelingt ihm ebenso wie die Erzählung, der Aphorismus, der Slapstick, der Liebesbrief oder der Amtsbrief – und manchmal all das gleichzeitig. Nach einer Einführung von Reiner Stach, der auch das Konzept für Kafkas Stimmen erstellt hat, wird Matthias Brandt am 10. August in der Großen Universitätsaula lesen.
„Das Spiel vor der Menge“ und andere Prosatexte von Hugo von Hofmannsthal werden am 13. August in der Großen Universitätsaula von Elisabeth Orth und Noah Saavedra gelesen.