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Dann kein Laut

FESTSPIELE / PROGRAMM / OPER

14/11/19 „Der Blick zurück in die hundertjährige Geschichte der Salzburger Festspiele ist nicht belastend, sondern inspirierend. Wir wollen es aber nicht dabei belassen zurückzublicken“, so Intendant Markus Hinterhäuser. Das Opernproramm reflektiert diesen Willen und verbindet in sich Wiedererkanntes und Neugefundenes.

Von Franz Jäger-Waldau

Richard Strauss bittet Hugo von Hofmannsthal 1906 in einem Brief, ihm „in allem Komponierbaren von Ihrer Hand das Vorrecht zu lassen. Ihre Art entspricht so sehr der meinen, wir sind füreinander geboren und werden sicher Schönes zusammen leisten, wenn Sie mir treu bleiben“. Der Komponist erinnert sich hier, drei Jahre zuvor unter dem Berliner Publikum bei der von Max Reinhardt inszenierten Uraufführung von Hofmannsthals Elektra gesessen zu sein. Die Begegnung mit dem Dichter empfindet er als schicksalhaft. Hofmannsthal sagt zu und drei Jahre später wird der Einakter Elektra in Dresden mit großem Erfolg uraufgeführt. Für die Inszenierung der Salzburger Festspiele führt Krzysztof Warlikowski Regie, Franz Welser-Möst dirigiert die Wiener Philharmoniker und die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor. Die Rolle der Elektra verkörpert der litauische Rising-Star Aušrine Stundyte. Premiere ist am 27. Juli 2020.

1922 wird die erste Oper bei den Salzburger Festspielen aufgeführt: Es ist Don Giovanni unter dem Dirigat von Richard Strauss. Die Neuproduktion 2020 übernehmen Romeo Castellucci und Teodor Currentzis, der lässig vorwarnt: „Man muss sich von Mozarts Oper moralisch erholen.“„In seinem rasanten Handeln verrät sich ein Todestrieb“, analysiert Regisseur Castellucci die rastlose Haltung des Protagonisten zwischen Vitalität und Zerstörung. Sich dieser Figur anzunähern, bedeutet für Castellucci, sich der Mehrdeutigkeit und Komplexität sowie dem inneren Ungleichgewicht dieser Figur zu stellen. Teodor Currentzis dirigiert sein musicAeterna Orchestra und seinen musicAeterna Choir. Der junge italienische Bariton Davide Luciano ist Don Giovanni. Premiere der Neuinszenierung 2020 ist am 28. Juli.

„Die Musik und das Dekor sind hübsch, der Rest eine unglaubliche Farce.“ Die Uraufführung von Mozarts und Schikaneders Zauberflöte 1791 war nicht Jedermanns Sache. Das Bizarre Singspiel ist heute noch beliebt, aber schwierig – nicht nur für das Publikum. 2018 hat es Lydia Steier im Großen Festspielhaus versucht. „Es ist keine Wiederaufnahme, sondern eine Neuinszenierung. Ich schrecke nicht davor zurück zu sagen, manches ist nicht aufgegangen, wie es geplant war. Ich bin mir aber dieses Jahr unseres Erfolgs sehr, sehr sicher.“, sagt Intendant Hinterhäuser. Lydia Steier wird bei ihrem Weg diesmal von der „Dirigentin des Jahres 2019“, Joana Mallwitz, begleitet, die die musikalische Leitung der Oper übernimmt. Sie dirigiert die Wiener Philharmoniker und die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor. Premiere ist am 3. August.

Luigi Nonos Intolleranza 1960 hat kein klassisches Libretto, sondern ist eine Kollage ausgewählter literarischer und philosophischer Texte. Der italienische Komponist wollte eine neue Form des Musiktheaters. Er verwendete neue Kompositionstechniken, elektronische Musik, Tonbandaufzeichnungen und nannte Intolleranza nicht „Oper“, sondern „azione scenica“. Der Dirigent Ingo Metzmacher, für den Nonos „Werk und sein Vermächtnis […] so etwas wie ein Leitstern“ sind, bezeichnet das Werk als: „Großen Schrei nach Menschlichkeit. Was mir an der Musik am meisten auffällt , ist, dass es nur Klangmassen gibt, keine Einzelstimmen. Es ist eine Musik der Extreme.“ Metzmacher dirigiert die Wiener Philharmoniker und die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor. Regie, Bühne, Choreografie und Video macht Jan Lauwers. Premiere ist am 9.August.

„Mythologie hat in Modest Mussorgskis Oper Boris Godunow keinen Platz“, sagt Intendant Hinterhäuser, „es ist ein realistisches Stück mit der Forderung nach Veränderung.“ Modest Mussorgski schreibt ein Drama um eine gespaltene Persönlichkeit in der wilden Periode des russischen 16. zum 17. Jahrhunderts. Mariss Jansons und Christof Loy untersuchen nun die Gültigkeit des Werkes für ein neues Jahrhundert. Jansons dirigiert die Wiener Philharmoniker, die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor und den Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor. Premiere ist am 20. August. Vier Aufführungen nur in diesem Festspielsommer, aber der Intendant kündigt eine Wiederaufnahme im Festspielsommer 2021 an.

Zwei Übernahmen bereichern das Opernprogramm der Jubiläumsfestspiele 2020: Von der Mozartwoche wird die szenische Version des Messias übernommen. Für den US-amerikanischen Regisseur und bildenden Künstler Robert Wilson ist die strenge Struktur von Händels Werk, die vom Wechsel zwischen vier Gesangssolisten und ebenso vielen Chornummern bestimmt ist, der Anknüpfungspunkt für eine szenische Aufführung, die mit surrealen Bildern arbeitet. Das Oratorium wird am 24. und am 26. Juli im Haus für Mozart aufgeführt, es bildet also eine Brücke zwischen Ouverture spiritulle und dem Opernprogramm. Marc Minkowski dirigiert die Musiciens du Louvre.

Auf Anna Netrebko muss man im Festspielsommer 2020 nicht verzichten, auch nicht auf ihren Ehhemann Yusif Eyvazov: Tosca, eine Inszenierung von Michael Sturminger, wird von den Osterfestspielen Salzburg übernommen, Marco Armiliato dirigiert (ab 2. August).

Norina in Gaetano Donizettis Don Pasquale ist Cecilia Bartoli. Die Oper hat zu Pfingsten Premiere, Gianloca Capuano ist Dirigent, Regie führen Moshe Leiser und Patrice Caurier (ab 9. August).

Als konzertante Oper wird neben Giuseppe Verdis I vespri siciliani (mit Plácido Domingo, 16. und 19. Auguist) auch Morton Feldmans musikalischer Gewaltakt Neither zu erleben sein. Die Oper in einem Akt für Sopran und Orchester ist nach einem ergreifenden Gedicht von Samuel Beckett geschrieben. Es endet auf die Verse „then no sound / then gently light unfading on that unheeded / neither / unspeakable home“. Ilan Volkov, der zuletzt 2018 bei den Salzburger Festspielen zu Gast war, übernimmt die Musikalische Leitung und dirigiert das ORF Radio-Symphonieorchester Wien und das Minguet Quartett. Aufführung ist am 7. August in der Kollegienkirche.

Das Programm im Detail: www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: Marina Dmitrieva, SF/Anne Zeuner, Kirk Edwards, Harald Hoffmann
Die Jubiläums-Festspiele 2020 Was die Weltkunstzentrale bereit hält
Das Schauspielprogramm 2020 Engel singen. Ende.
Das Konzertprogramm 2020 Viel Zeit mit Beethoven und Feldman
Ouverture spirituelle 2020 Was ein Dichter heute tun kann, ist warnen

 

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