Was die Weltkunstzentrale bereit hält
FESTSPIELE 2020 / DAS PROGRAMM
13/11/19 Das kann ja apart werden, wenn es am 22. August nächsten Jahres – auf den Tag genau das 100-Jahre-Jubiläum der Salzburger Festspiele – nicht nur Jedermann-Bücher für jedermann in der Stadt gibt (10.000 Exemplare wird man als Präsent drucken lassen), sondern auch Salzburgs Gaststätten lange Tische rausstellen und sich Tischgesellschaften sonder Zahl zusammenfinden.
Von Reinhard Kriechbaum
So jedenfalls eine Zielvorgabe für den Jubiläumstag im Jubiläumsjahr der Festspiele. Auf das Detailprogramm dazu heißt es noch ein paar Monate warten, bis Ende März 2020. Nur so viel: Das Kinder- und Jugendprogramm werde „explosionsartig erweitert“, ab 28. April werde es für junge Leute 87 Aufführungen an 48 Spielstätten geben (parallel zur Landesausstellung), im Sommer wird dann eine Kinderoper von Elisabeth Naske uraufgeführt: Vom Stern der nicht leuchten konnte.
Inhalt des Pressegesprächs heute Mittwoch (13.11.) war natürlich das Kerngeschäft. Man macht nicht nur Jubiläum, sondern Festspiele. Diese seien von den Gründervätern als „Weltkunstzentrale auf österreichischem Boden“ gedacht gewesen, dezidiert für ein unabgelenktes Publikum „in einer kleinen Stadt“, so die Präsidentin Helga Rabl-Stadler. Als Friedensprojekt natürlich, und deshalb ist es nur folgerichtig, dass die Ouverture spirituelle ab 19. Juli 2010 schon diesmal unter dem Thema „Pax“ steht. Schönbergs Friede auf Erden und Brittens War Requiem, beides dirigiert von Mirga Gražinytė-Tyla, bildet den Auftakt, mit dem City of Birmingham Symphony Orchestra & Chorus. Da wird nicht gekleckert. Mit dem Jedermann geht es schon einen Tag früher, am 18. Juli los.
Die erste Opernpremiere gilt Strauss' Elektra, dirigiert von Franz Welser-Möst, inszeniert von Krzysztof Warlikowski. „Das Nicht-vergessen-Können, das Beharren auf der Vergangenheit“ – das bedeute in Hofmannsthals Libretto Elektras Weg in den Ruin, so Intendant Markus Hinterhäuser. In Elektra, aber auch in Don Giovanni (Teodor Currentzis am Pult, Regie Romeo Castellucci) sieht Hinterhäuser Grenzüberschreiter des Individuums. Als Antithese dazu stünden die anderen beiden Opern-Neuinszenierungen, Mussorgskis Boris Godunow und Intolleranza 1960 von Luigi Nono. Schon bei Mussorgski sei das Volk die treibende Kraft, und in Nonos Werk – „vielleicht das Stück der Stunde“ (Hinterhäuser) – werde überhaupt eine neue Welt entworfen. Einen „großen Schrei nach Menschlichkeit“ hört der Dirigent Ingo Metzmacher aus Intolleranza heraus. Und in der Partitur fällt ihm auf, dass es da „keine Einzelstimme, nur die Klangmasse“ gebe. Die Wiener Philharmoniker, deren herausragende Fähigkeit es ist, aufeinander zu hören, seien „wie eine Kommune organisiert“, sprich: in Selbstverwaltung. Deshalb hält Metzmacher sie für das ideale Orchester für das Werk von Luigi Nono. Jan Lauwers wird Regie führen. Boris Godunow liegt in den Händen von Mariss Jansons und Christoph Loy.
Eine „Dreiviertelpremiere“ nennt Markus Hinterhäuser die Neueinstudierung der Zauberflöte, die vom Großen Festspielhaus ins Haus für Mozart übersiedelt – ein „sichtbares Zeichen“, dass der Inszenierung von Lydia Steiner eine zweite Chance eingeräumt wird. „Ich bin überzeugt, dass wir einen großen Schritt weiter kommen“, prophezeit Hinterhäuser.
Im Schauspielprogramm des Festspielsommers 2020: Am 26. Juli wird im Landestheater Peter Handkes Zdeněk Adamec uraufgeführt, übrigens die fünfte Handke-Uraufführung bei den Festspielen, natürlich geplant weit bevor die sehr kontrovers diskutierte Nobelpreis-Zuerkennung ruchbar wurde. Friederike Heller führt Regie. Eine Uraufführung ist auch Everywoman von Milo Rau und Ursina Lardi, eine Koproduktion mit der Schaubühne Berlin. Zwei Werke, die überraschenderweise noch nie bei den Festspielen programmiert wurden, kommen auf die Pernerinsel: Karin Henkel inszeniert Shakespeares Richard III., Martin Kusej nimmt sich Schillers Maria Stuart vor. Hugo von Hofmannsthals ultra-selten inszeniertes Stück Das Bergwerk von Falun liegt in den Händen von Jossi Wieler.
2020 ist ein Beethoven-Jahr, und so hat ein acht Abende umfassender Klaviersonaten-Zyklus mit Igor Levit eine gewisse Logik. Zeit mit Feldman gilt es diesmal zu verbringen. Viel Zeit, denn seine Musik ist ja der langsamen eine. Still life ist das Motto. Von der konzertanten Aufführung seiner Oper Neither in der Kollegienkirche verspricht Markus Hinterhäuser sich „ein Zentrum der Stille und der Schönheit“, vielleicht wichtig gerade angesichts des Jubiläums-Festspielrummels.
Eine nette Idee für die Kammermusik: Moments musicaux heißt ein Zyklus von fünf Konzerten, zu denen man vorab zwar die Liste der Künstlertinnen und Künstler erfährt, nicht aber, wer was wann spielt. Ein spätes Lüftchen von Lockenhaus vielleicht, jedenfalls ein Anreiz zur Neugier. Ein besonderes Kammerkonzert für Sesshafte: In einem Marathon von 16 bis 23 Uhr spielt am 28. August Martin Grubinger mit seinem Percussive Planet Ensemble Schlagzeug-Sextette von Cerha, Rihm, Xenakis, Grisey und Reich.
Dirigenten der Wiener Philharmoniker sind Mariss Jansons, Andris Nelsons, Christian Thielemann, Gustavo Dudamel und Riccardo Muti, der um den 15. August (das erste Mal bei den Festspielen) Beethovens Neunte Symphonie dirigieren wird. Die c-Moll-Messe, die es auf noch mehr Aufführungsjahre gebracht hat als der Jedermann, wird in der Jubiläumssaison zwei Mal in der Stiftskirche St. Peter gegeben. Man reagiert auf die Nachfrage.
Riccardo Minasi, Ivor Bolton, Andrew Manze, Gianluca Capuano und Adám Fischer leiten die Mozart-Matineen, Ingo Metzmacher und Alexander Lonquich die beiden Camerata-Konzerte. Das Orchester kommt aber auch beim Dirigentenwettbewerb, der ab sofort Herbert von Karajan Young Conductors Award heißt, ausgiebig zum Einsatz und auch beim Abschlusskonzert des Young Singers Project.
Die Detailprogramm der Salzburger Festspiele 2020 nach Sparten stellt DrehPunktKultur in den nächsten Tagen vor.