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Ein Hochamt ganz ohne Weihrauch

FESTSPIELE / WIENER PHILHARMONIKER / HAITINK

30/08/19 Darf man ungestraft „Hochamt“ dazu sagen? Nein, auch wenn der erste Satz von Bruckners Siebenter unter Bernard Haitink in seiner bezwingenden Ruhe auf einem wohl abgesichertem Zeremoniell zu fußen scheint. Was – Gott sei Dank – fehlte zum echten Hochamt: Aller Weihrauch.

Von Reinhard Kriechbaum

Altmeister Haitink, der mit seinen neunzig Jahren nichts an Spannkraft verloren hat, bündelt die Energie und fängt sie mit einem sanften Wink der linken Hand wieder ein: Da bleibt nicht die Spur von einem Hochnebel aus emotionalem Überschuss unter der Saaldecke hängen. Viel Weihe, kein Rauch.

Wollte man auch nur diese Satz-Finali der Siebenten beschreiben, brauchte es viele Buchstaben. Solche über das Ende des vierten Satzes müssen sein, denn dieses Symphonieende hat – außergewöhnlich fürs meist überhurtig drauflos paschende Salzburger Festspiel-Publikum – zu einigen Sekunden intensiver Stille geführt. Warum? Weil Bernard Haitink die Wiener Philharmoniker konzentriert bündig, fast beiläufig diesem Finale hat entgegenstreben lassen. So unaufdringlich wie nur (für den Schmelz sorgen die Philis schon), völlig unprätentiös und doch irgendwie überrumpelnd.

Natürlich gab es dann rasch Standing ovations für Haitink, der sich mit den Philharmoniker-Konzerten heute Freitag (30.8.) und morgen Samstag (31.8.) in Salzburg (und zwei folgenden bei den Proms in London und in Luzern) vom Podium verabschiedet. Er geht am Stock vielleicht ein wenig schwer, aber er hört selbstbestimmt zu einem Zeitpunkt auf, da er noch alle Kraft für die Musik hat. Man sollte nicht jubelnd, sondern weinend hinaus gehen nach einem solchen Konzert: Kein Bruckner mehr unter Haitink, das ist ein Einschnitt in die Interpretationsgeschichte.

Gut, dass dieses Finale eines dirigentischen Lebenswerks in Bild und Ton aufgezeichnet wurde. Eine Wendung wie das konzise Beruhigen nach dem großen Bläser-Gipfel im Adagio-Satz möge sich für die Ewigkeit ins Gedächtnis eingraben. Zweite Geigen und Bratschen vor allem tragen die Spannung intensiv weiter, während die Soloflöte (und bald die anderen Bläser wie befreit herauströpfeln... So auch noch nicht gehört: nach dem motorisch sich anlassenden Hauptmotiv des Finales bremst Haitink die Bewegung, die Klarinetten dürfen sich mit ihren Statements fast dicklich breit machen. Eine Stimmung, die wiederum die Soloflöte quick unterläuft. So spannend kann vertrautester Bruckner sein.

In der Pause hat der Schreiber dieser Zeilen von einem Musikfreund das Wort „altersmilde“ aufgeschnappt. Altersmilde ist sicherlich nichts Schlechtes für Beethovens Viertes Klavierkonzert. In geradezu liebenswerter Übereinstimmung haben Haitink und das Orchester die vielen kammermusikalischen Valeurs, auch manch Melancholisches herausgearbeitet. Emanuel Ax gab sich fast nicht als Solist, eher als pianistischer Vorarbeiter in einem eingeschworenen Team. Uneitel, nie vorlaut, doch immer Charme-perlend. Schon die paar einleitenden Klaviertakte hat er so offen gehalten, dass den streichenden und blasenden Kollegen alle Möglichkeiten offen blieben. Option für vielsagende Nachdenklichkeit auf beiden Seiten

Wiederholung heute Samstag (31.8.) um 11 Uhr im Großen Festspielhaus, Hörfunkübertragung am 15. September um 11.03 in Ö1
Bilder: SF / Neumayr / Leo
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