Das gewisse Parfum der Aufklärung
HINTERGRUND / MOZART-MATINEE / RAPHAEL PICHON
17/08/19 Auch wenn seine Programme auf den ersten Blick nach Konzept-Programmen aussehen, ist der Dirigent Raphaël Pichon kein Fan des Terminus Konzept. Es gehe ihm vielmehr darum, erfindungsreich Geschichten zu erzählen und eine gute Mischung zu präsentieren, sagt er dieser tage in einem TerrassenTalk in der Stiftung Mozarteum.
Von Anne Zeuner
An diesem Wochenende (17./18.8.) leitet Pichon eine Mozart-Matinee Auf den Spuren der Entstehung des Mozart’schen Da Ponte-Zyklus. Als er vor zwölf Jahren das aus einem Chor und einem auf historisch-authentischen Instrumenten spielende Ensemble Pygmalion gründete, war er darauf aus, neue und unbekannte Stücke zu erkunden und dieses Repertoire durch neue Ansätze mit Leben zu erfüllen. Genau diesem Ansatz folgt er auch jetzt.
Die Mozart-Matinee ist in drei Szenen geteilt, am Anfang und Ende jeder scena steht Mozart, dazwischen: Giovanni Paisiello, Antonio Salieri und Vicente Martín y Soler. „Als ich mich intensiver mit Mozart auseinandergesetzt habe, bin ich vor allem auf die Zeit vor dem Da-Ponte-Zyklus aufmerksam geworden“, sagt der Dirigent. In den fünf Jahren zwischen der Entführung aus dem Serail und Le nozze di Figaro sei Mozart voller Tatendrang gewesen und es sei auch die Zeit gewesen, in der er versuchte, sich von seinem Vater abzugrenzen und aufklärerische Themen zu bearbeiten. Die Musik dieser Zeit sei allerdings heute in Vergessenheit geraten, obwohl sie doch dieses gewisse Parfüm versprühe, das bereits einen Vorgeschmack auf das Da-Ponte-Trilogie gebe. Die meisten seiner Zeitgenossen habe Mozart nicht sehr geschätzt – mit Ausnahme von jenen drei Komponisten, die im Konzert zu hören sein werden. In Solers Una cosa rara seien sogar Anklänge an Don Giovanni zu hören, sagt Raphaël Pichon.
In ein paar Wochen erscheine eine Aufnahme dieses Programmes, nun werde es aber erstmals konzertant zur Aufführung gebracht. Die Zusammenarbeit mit dem Mozarteumorchester Salzburg beschreibt er als hervorragend. „Aber es war schon eine Herausforderung in wenigen Tagen Proben diese unterschiedlichen Werke zu erarbeiten“, sagt Raphaël Pichon. Er sei gespannt, ob sich der Versuch, einen Spannungsbogen aufzubauen und eine Verbindung zwischen den Stücken herzustellen, aufgehen werde und sich diese Spannung auf das Publikum übertrage.
Raphaël Pichon ist nicht nur Dirigent, er hat sich auch als Countertenor einen Namen gemacht und Geige in Versailles und in Paris studiert. Wie er zur Musik gekommen ist? „Ich habe mit sechs Jahren begonnen mit der Geige“, sagt er. „Allerdings war der Unterricht sehr technisch und ich kann mich kaum daran erinnern, in dieser Zeit mit der Musik verbunden gewesen zu sein“, sagt er. Mit etwa zehn Jahren habe er ein Erlebnis gehabt. Er habe im Knabenchor die Johannes-Passion gesungen und dort im positiven Sinne einen wahrlichen Schock gehabt. „Das war das erste Mal, dass ich eine chemische Verbindung erfahren habe. Dieser Klang, die Akustik und die Mehrstimmigkeit habe ich körperlich so sehr gespürt“, sagt Raphaël Pichon. Seitdem versuche er diese Körperlichkeit immer wieder neu zu erschaffen. „Ich bin ein Opfer der Musik geworden“, sagt er. Gerade wenn man Musik mit Kindern mache, solle man darauf achten, in den Kindern diese unstillbare Neugier zu erwecken.
Bereits mit 14, 15 Jahren habe er gewusst, dass er kein philharmonischer Dirigent sein wolle, er wolle seine eigenen Geschichten erzählen und seine eigenen Projekte voranbringen. In Frankreich gebe es eine klare Trennung zwischen Chor und Orchester, er wolle diese Trennung wieder aufheben mit seinen Projekten.