Eine etwas zärtliche Pflanze
FESTSPIELE / ARGERICH / BARENBOIM
16/08/19 Man muss schon ein wenig die grauen Zellen beschäftigen, wenn man ein Stück für Kammermusikbesetzung, begleitet von zwei Klavieren finden will. Fündig geworden sind Martha Argerich und Daniel Barenboim für ihr Salzburger Festspiel-Kammerkonzert am Donnerstag (15.8.) bei Schumann.
Von Reinhard Kriechbaum
Urig, dieses Andante mit Variationen für zwei Klaviere, zwei Violoncelli und Horn B-Dur WoO 10: Es grummelt zwanzig Minuten in tiefer Lage dahin. Ganz streng genommen ist es so, dass oft nur ein Klavier begleitet. Das eine (Daniel Barenboim) hat die Celli meist exklusiv an seiner Seite, dann wird übergeben ans andere Tasteninstrument (Martha Argerich), und dann drängt sich zwischen die Celli das Horn hinein, nicht selten mit kräftigen Signalen. Eher weniger mischt das Blasinstrument bei der Lyrik der beiden Streicher mit.
Man kommt ins Grübeln bei dem Stück: Hatte Schumann wirklich ein Klangexperiment im Ohr, oder ist es doch eher ein Auftragswerk für eine spezielle häusliche Instrumenten-Kombination? Ein konkreter Anlass ist jedenfallas nicht überliefert, aber das Stück atmet deutsche Musikgeschichte: Bei einer Probe in einem Leipziger Privathaus saßen Clara Schumann und Felix Mendelssohn Bartholdy an den Klavieren. Robert Schumann sprach von seinem Stück als einer „etwas zärtlichen Pflanze“ – und das wollen wir auch für diese Wiedergabe in Salzburg so stehen lassen. Ein Leichtgewicht, aber immerhin eine Rarität sondergleichen.
Umso bekannter der Rest des Programms, den Martha Argerich und stimmführende Streicher des West-Eastern Divan Orchestra verantworteten. An der Ersten Geige Michael Barenboim. Das Klavierquintett Es-Dur op. 44 gehört zum Geläufigsten für diese Besetzung. Nicht nur im Scherzo kam es im Haus für Mozart voller Energie, geradlinig und stürmend daher. Das darf schon sein bei jungen Spielern, und die Argerich stürmte mit ihren 78 Jahren schier juvenil mit. Auffallend diszipliniert der langsame Satz (Trauermarsch), dessen Thema konsequent trocken, fast kratzig herausgestellt wurde.
Zu Martha Argerichs Schumann-Spiel ist gut Geige spielen, so verwandelten sie und Michael Barenboim Schumanns Violinsonate Nr. 1 a-Moll op. 105, vor allem deren Allegretto-Satz, nicht in ein Lied ohne Worte, sondern in eine gestaltreich-anschauliche Kurzgeschichte ohne Worte.
Am Anfang Sergej Prokofjews Ouvertüre über hebräische Themen für Klarinette, Streichquartett und Klavier c-Moll op. 34: Da kann eigentlich nichts schief gehen, wenn man einen Klezmer-geeichten Klarinettisten (Jussef Eisa) und die Argerich an den Tasten hat. Doch: Der reißerische Tonfall dieser Musik verleitete die Streicher zu mehr Lautstärke, als den beiden eigentlich Führenden gut tat.