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Unbändige Lust an grotesker Komödie

FESTSPIELE / LIEDERABEND PETIBON

13/08/19 Patricia Petibon weiß nicht nur vom Meer zu singen, sondern in ein solches einzutauchen, ihren Fang zu ködern und an Land zu bringen: Ein Liederabend am Montag (12.8.) im großen saal des Mozarteums, der nicht mit gewöhnlichen Maßstäben zu messen ist.

Von Erhard Petzel

Der Abend beginnt impressionistisch bewegt mit Beau soir von Paul Bourget zur Musik Debussys mit Sonnenuntergang am Meer als Metapher, sein Leben in der Jugend zu nützen. Auch wiegend, mit dramatisch erhöhtem Gestus die Musik des Zeitgenossen Nicolas Bacri zum mittelalterlichen Text All through eternity von Dschaläl ad-Dín Rúmí, in dem die Ewigkeit des Schönen beschworen wird, sowie A la mar auf den Text Álvaro Escobar-Molinas, einem Fado mit herzzereißendem Klagegeschrei. Noch ein Wechsel spanisch-französisch zu Meer und Abschied. Hier die Ballade Canción del grumete von Joaquin Rodrigo, da Les berceaux von Gabriel Fauré auf einen bewegend symbolistischen Text von Sully Prudhomme, dann unterbricht Susan Manoff erstmals den Liederreigen mit 2 Klavierstücken, zu denen Patricia Petibon merklich gestisch präsent ist. Yann Tiersens Porz Goret für Klavier aus Eusia stammt aus 2016, mit Henri Collets Seguidilla von 1925 wird das spanische Element zum Thema.

Dieses sehr geschickte Programmmuster findet in Folge seine Wiederholung. Lieder quer durch Raum und Zeit, die inhaltlich und in ihrem Wesen in eine Richtung weisen und sich darin verstärken, am Ziel- oder Wendepunkt Klavierliteratur, von der Sängerin gestisch kommentiert. So entwickelt sich ein ganz spezieller Liederabend, der kaum mit anderen vergleichbar ist. Patricia Petibon spielt ihre stimmliche Kapazität aus, kann jederzeit Urschreie, Koloraturen, Irrwitziges einwerfen und aus dem Nichts kommendes oder darin zurückgehendes Schwellen in den Klanguntergrund des Klaviers mischen. Dazu eine höchst eigenwillige Performance mit unbändiger Lust an grotesker Komödie.

Das Publikum sitzt zunächst in der trägen Reserviertheit des Konsumenten mit den üblichen Pausen-Solisten für Husten und Räuspern und den Spezialisten für die Begleitung innigster Pianostellen. Bald wird die Möglichkeit des Applauses als Hustenersatz entdeckt, dann betroffen geschwiegen oder herzhaft gelacht, um mit frenetischem Applaus abzuschließen. Patricia Petibon führt zu Bekanntem und leuchtet Unbekanntes aus. Das Spanische manifestiert sich in Musik von Fernando Obradors, Manuel de Falla, Joaqín Turina, Francis Poulenc, Heitor Villa-Lobos, Henri Collet, Enrique Granados und Carlos Guastavino, nicht ohne dieses Terrain elastisch zu erweitern.

Susan Manoff fährt auf dem Klavier durchaus auch gegen den Strom. Wunderbar eingepasst aber Satie mit dem traumverlorenen Gnossienne Nr.1 und Les courses, in die Patricia Petibon das Marseillaise-Thema der revoltierenden Sportwetten-Verlierer schreit, oder in Le Tango perpétuel den Tanz verteufelt. Beide Musikerinnen treiben es im eingespielten Paarlauf bis zur kabarettistischen Show. Für Francisco Mignones Dona Janaína hat Petibon ihren Auftritt in Rot mit Grün getauscht und führt Zwiesprache mit einem Stoffpapagei, woraus eine perfekt funktionierende Call-and-response-Einheit mit dem Publikum erwächst. Höhepunkt der Show sind vier von Leonard Bernstein vertonte Rezepte unter dem Titel La Bonne Cuisine. Dafür kommen die Damen kostümiert mit Kochinventar und Zutaten, die – quietschendes Plastikhundespielzeug – nach Zubereitung ins Publikum geschleudert werden.

Herrlich, wie Susan Manoff als abgestochener Hase die Umdeutung von Gershwins Prelude Nr. 2 als Klage über ein Kaninchen verantwortet. Das Stück kann ab jetzt nur mehr als Bunnyblues mit Puschel bis zum bittern Ende verstanden werden. Nach einem Abend voll Liedern, Balladen und Arien bildet Agustín Laras klassischer Hispano-Schlager Granada den krönenden Abschluss. Dass sich das Publikum zwei Draufgaben erschreit, war nicht anders zu erwarten. Eine schwarze Clownsnase und Lichtpantomime sind nach dem Vorangegangenen schon normal. Ebenso die Vermüllung einer verlassenen Konzertbühne.

Bilder: SF / Marco Borrelli

 

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