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Über ein Gewitter der Literaturgeschichte

FESTSPIELE / INSTALLATION / JOYFUL JOYCE

09/08/19 Von einer Empore schaut der Zuschauer auf einen blauen Himmel nach unten. Wolken ziehen vorbei und aus allen Ecken des Raumes sind Stimmen zu hören. Auf Deutsch und auf Englisch wird erzählt, geflüstert, gesungen, ein Kuckuck ertönt immer wieder und der Himmel wird grauer, bis ein Gewitter entsteht.

Die österreichische Dokumentarfilmerin und Autorin Ruth Beckermann setzt sich in einer filmischen Installation mit dem Titel Joyful Joyce mit dem Autor auseinander, der 1928 aus privaten Gründen einen Festspielsommer in Salzburg verbracht hat. Neun Minuten und 22 Sekunden dauert ein Loop.

James Joyce litt unter anderem an Astraphobie, er fürchtete sich vor Gewitter, und dieses Motiv nimmt Ruth Beckermann in ihrer Installation auf. Als sie vor einem guten Jahr von Schauspiel-Leiterin Bettina Hering gefragt worden sei, diese Installation zu machen, habe sie sofort an diese Gewitterangst denken müssen, erklärt sie. Da auch sie selbst Salzburg mit Regen und Gewitter verbinde, sei sie bei dieser Idee geblieben. „Joyce ist selbst ein Gewitter der Literaturgeschichte mit seinem rebellischen, revolutionären Werk Ulysses“, sagt die Künstlerin. Joyce sei ihr vor dieser Arbeit eher fremd gewesen. „Es war eine Herausforderung mich mit ihm auseinanderzusetzen.“ Was er in seinen Werken vermittle: „Sei frei!“ Und genau so frei sei sie an diese Aufgabe gegangen.

Im Vorraum, der in ein lila Licht getaucht ist, finden sich am Boden in Kreisen die zehn Donnerworte, die James Joyce in Finnegans Wake erfunden hat. Betritt der Besucher den Raum der Installation, wird er in eine Klangcollage hineingezogen. Die Bild-Ebene sei bewusst einfach gehalten, fast schon meditativ, auf dass sich Besucherinnen und Besucher eben auf den Ton konzentrieren. Zu hören sind zwei deutsche Stimmen: Anja Plaschg (Soap and Skin), die bereits im Film Die Geträumten mit Ruth Beckermann zusammenarbeitete und der Komponist und Dirigent HK Gruber, der immer wieder die Donnerwörter spricht, flüstert und schreit. Die englischen Stimmen wurden in Dublin aufgenommen, vom Buchhalter bis zum Taxifahrer haben sich alle beteiligt. Auch das irische Volkslied am Ende ist direkt vor Ort aufgenommen worden, es sei das Lieblingslied von Joyce gewesen. Immer wieder tauchen Bezüge zu Joyce auf, so auch ein kleiner Ausschnitt aus Don Giovanni, seiner Lieblingsoper.

Ruth Beckermann wurde in Wien geboren, wo sie auch ihre Kindheit verbrachte. Nach dem Studium der Publizistik und Kunstgeschichte und Studienaufenthalten in Tel Aviv und New York promovierte sie 1977 an der Universität Wien. Sie arbeitete als Journalistin für verschiedene Zeitschriften in Österreich und der Schweiz. 1978 gründete sie mit zwei Kollegen den Verleih filmladen, wo sie sieben Jahre tätig war. In dieser Zeit entstanden ihre ersten Filme und Bücher. Seit 1985 arbeitet Ruth Beckermann als freie Autorin und Filmschaffende.
Ihr Film Die Geträumten (2016) wurde auf der Diagonale als bester Spielfilm ausgezeichnet und gewann fünf weitere internationale Preise. 2018 stellte Ruth Beckermann ihren neuesten Film, Waldheims Walzer, fertig und gewann u. a. den Glashütte Original-Dokumentarfilmpreis der Internationalen Filmfestspiele Berlin. Zu Ruth Beckermanns installativen Arbeiten zählen europamemoria, eine Porträt- und Geschichtensammlung, die beim diesjährigen Forum Alpbach in neuer Form wieder gezeigt wurde, die Ausstellung Leben! für das jüdische Museum Wien sowie die 2015 am Wiener Albertinaplatz gezeigte Installation The Missing Image.
Zu den Buchveröffentlichungen von Ruth Beckermann zählen u. a. Die Mazzesinsel – Juden in der Wiener Leopoldstadt 1918–1938 und Unzugehörig – Österreicher und Juden nach 1945.. (PSF/dpk)

Die Installation Joyful Joyce wird bis zum 28. August im ehemaligen Barockmuseum im Mirabellgarten bei freiem Eintritt gezeigt (Mo-Fr 14 bis 22 Uhr, Sa und So 10 bis 22 Uhr) – www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: SF / Monika Rittershaus
Zum Bericht über die Ulysses-Marathonlesung 
Rotzgrün und rotzfrech

 

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