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Wer auch nur eine Mücke tötet, ist ein Mörder

HINTERGRUND / OEDIPE

09/08/19 „Ödipus – das sind wir selbst“, sagt Achim Freyer. Enescus Oper Œdipe sei ein reiches farbiges Werk. Ein Werk, dem man dienen müsse, damit es nicht verunklart: Das sei seine Mission als Regisseur und Ausstatter von George Enescus Meisterwerk, das  am Sonntag (11.8.) in der Felsenreitschule Premiere hat.

Von Anne Zeuner

Er verstehe sich als spartanischer Theatermacher, sagt Achim Freyer. Der Zuschauer sei ein Spiegel dessen, was auf der Bühne passiere. „Und der Zuschauer begreife immer eine Mittelachse auf der Bühne, egal, wo im Raum er sitzt das habe ich immer im Hinterkopf.“ Die Farbigkeit der Musik Enescus übersetze er in Licht: Die Summer der Farbe sei das Licht. Gerade bei diesem Theater-Stoff müsse mit der Entwicklung der Farbe und des Lichts gearbeitet werden.

Zu Beginn der Oper werde im Schwarz, in der Dunkelheit, etwas geschaffen, worin wir uns selbst erkennen können und das im Laufe der Oper immer mehr zu Licht werde. „Wir alle sind mit genetischer Schuld beladen geboren, wer auch nur eine Mücke tötet, ist ein Mörder und wir machen einen Prozess durch, bis zur Erkenntnis, dass wir Mörder sind. Aber auch bis zur Erkenntnis, dass wir noch andere Chancen haben im Leben“, sagt Achim Freyer. Wie man den Prozess des Hellerwerdens steigern könne, verrate er noch nicht. Nur so viel: „Es interessiert mich nicht, am Ende nur weiß zu haben.“

Keine Striche – es werde jede einzelne Note gespielt, sagt Dirigent Ingo Metzmacher. „Ich finde es unangebracht, in diesem Stück zu streichen. Jede einzelne Note ist mit Sinn und Wichtigkeit gefüllt.“ Am Anfang habe man Mühe mit der Partitur, aber je mehr man sich damit beschäftige, umso klarer werde es. Dass Enescu trotz achtjähriger Komposition an dem Stück einen klaren Plan gehabt habe, zeige sich für Metzmacher an einem Takt, der wiederholt werde. Ein Hornduett, bei dem man sich frage – „Wie kommt man auf solche Musik?“

Nein, einordnen könne man diese Musik nur mit Schwierigkeiten. Es gebe Anklänge an französische Musik, es gebe Vierteltöne im Gesang und Glissandi, die einen Hauch von Orientalischem anklingen lassen. Aber es gebe auch Musik, die nicht vergleichbar sei. „Leitmotive sind zu finden, aber nicht so plakativ, sondern viel feiner als etwa bei Wagner“, so Metzmacher. Die Musik sei aus dem Text heraus komponiert, aber sie verhalte sich zu ihm, anstatt ihn zu doppeln. Auch der Umgang mit der Gesangsstimme sei hochinteressant. Wenn die Situation so ungeheuerlich wird, dass man nicht mehr singen könne, bringe Enescu den Sprechgesang ins Spiel.

Christopher Maltman, der die Rolle des Œdipe verkörpert, setze dies grandios um in der Szene nach seiner Blendung. Erst als seine Tochter Antigone ihn anspreche, könne er wieder singen. Das sei eine lange Szene, vor der man Respekt haben müsse, sagt der Dirigent. „Œdipe ist wirklich ein Meisterwerk des 20. Jahrhunderts und es ist nicht zu verstehen, warum es nicht öfter gespielt wird.“ Eine Partitur ohne Fehler zu finden, sei für den Dirigenten gar nicht so einfach gewesen. Er habe aber dann über eine rumänische Webseite eine Partitur gefunden, die sich am Faksimile von Enescu orientiert. Alle anderen Partituren seien fehlerhaft gewesen, weshalb wohl auch in früheren Aufführungen gestrichen worden sei.

Der Schrei des Ödipus fasziniert den Regisseur Achim Freyer. Ob er sich allein auf seine Blendung beziehe oder auch auf die Nachricht, dass Jocaste, seine Mutter, tot sei, das beschäftige ihn. „Oft“, so ergänzt Ingo Metzmacher, „befindet man sich in dieser Oper in einem Zustand zwischen Wachheit und Traum, alle Szenen tragen Erkenntnislicht und Schlaf gleichzeitig in sich.“ Wie es – genehmigungs-technisch – mit Achim Freyers Ödipus-Skulptur ausgehen wird, die temporär im Festspielbezirk aufgestellt werden soll, ist ja noch immer nicht fix. Falls es doch nichts wird: Wer Achim Freyer neueste Werke bildhauerische sehen möchte, die ebenfalls von der Beschäftigung mit Œdipe beeinflusst sind, sollte bis 31. August im ART SPACE stift millstatt in Millstatt seine Ausstellung Reflektionen. Momente besuchen.

Aufführungen am 11., 14., 17. und 24. August in der Felsenreitschule – www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: SF / Anne Zeuner

 

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