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Auf der Schnur(r)geraden

FESTSPIELE / EVGENY KISSIN

07/08/19 Was ist eigentlich „pathetisch“ an Beethovens Grande sonate pathétique, der Sonate Nr. 8 c-Moll op. 13? Was Beethoven und seine Zeitgenossen auch verstanden haben unter dem Begriff, etwas Hohles, sich womöglich über Gebühr Aufplusterndes meinte man damals nicht.

Von Reinhard Kriechbaum

Evgeny Kissin eröffnete sein Solistenkonzert am Dienstag (6.8.), das er ausschließlich Beethoven widmete, mit der Pathetique. Er ist's von der sportiven Seite her angegangen. Wirklich rasant in den Ecksätzen, klar und bündig, so gut wie ohne Rubati. Da kommt schon kein Pathos auf. Aber auch andere Attribute fallen einem spontan nicht ein zu dieser Wiedergabe.

Kissin war noch nie der große Nachdenker an den weißen und schwarzen Tasten. Er lässt die Dinge gerne laufen, wie sie kommen, und ins Grübeln kommt er eigentlich gar nie. Das tut man eher als Zuhörer. Mehrmals wurden ja in den vergangenen Tagen bei den Salzburger Festspielen kleine Dinge von Beethoven in der pianistischen Höhensonne ausgeleuchtet.

Da war Grigori Sokolov mit einer Bagatellen-Folge oder Igor Levit mit den Diabelli-Variationen. Im unmittelbaren Vergleich hat Evgeny Kissin mit den Eroika-Variationen gestalterisch so gut wie nichts anzubieten. Federnd lässt er das Bassmotiv aufsteigen, er hämmert recht trotzig, aber dann recht einförmig die drei markanten Akkorde hin. Gefinkelte Dramaturgie ist Kissins Sache nicht, die fünfzehn Veränderungen des Themas, das Beethoven im Finalsatz der Dritten Symphonie dann nochmal verwendete (zuerst waren die Variationen) fädelt er wie Perlen an einen Faden. Ein Pianist unterwegs auf der Schnur(r)geraden.

Nach der Pause zwei große Sonaten: Der Sturm Sonate Nr. 17 d-Moll op. 31/2 und die Waldstein-SonatNr. 21 C-Dur op. 53). Im ersten Fall dachte man eher an die Ruhe vor dem Sturm, so spannungslos und dramaturgisch uneingebunden gerieten im Kopfsatz die Largo-Inseln, in denen sich eigentlich die in den Allegro-Läufen zu entladende Energie zusammenbrauen sollte. Über putzige Lyrismen ist Kissin auch im Adagio der Sturm-Sonate nicht hinaus gekommen, das Allegretto stand immerhin für Elegance. Der Waldstein-Sonate ist die motorische Kraft quasi eingeschrieben, und das funktioniert, auch wenn der Klavierspieler keine großen Überlegungen darein investiert, sondern auf handwerklich perfekte Geradlinigkeit setzt. Entsprechende Begeisterung im Großen Festspielhaus. Und Beethoven ist eh unkaputtbar.

Bilder: SF / Marco Borrelli

 

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