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Zack, zack, zack, von Fortissimo zu Fortissimo

FESTSPIELE / BR-SYMPHONIEORCHESTER (2)

05/08/19 Es waren ja eigentlich wüste Pasticcio-Programme, die das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Yannick Nézet-Séguin an diesem Wochenende in Salzburg hat hören lassen. Immerhin: Die Fünfte von Schostakowitsch und zwei Tage später das Zweite Violinkonzert von Sergej Prokofjew waren ein aufschlussreiches Nebeneinander.

Von Reinhard Kriechbaum

Schostakowitsch hatte, nachdem die Repressionen der Zensur bedrohliche Formen angenommen hatten, mit seiner Fünften Symphonie eine verklausulierte Anklage ans Regime geschrieben – die tönende Parabel auf das drangsalierte Individuum in einer Form, der die Kunstrichter der Stalin-Zeit nichts anhaben konnten.

Etwa zur selben Zeit plante Sergej Prokofjew nach zwanzig Jahren im Westen die Rückkehr in die Sowjetunion. Mit seinem Violinkonzert g-Moll op. 63 schlug er mit eine eingängiger Tonsprache zwei Fliegen auf einen Schlag. Erstens war es ein Auftragswerk für einen französischem Geiger, dem er damit ein in jeder Hinsicht repertoiretaugliches Vorzeigestück in die Finger schrieb. Und den Kunstschergen des sozialistischen Realismus war das durchaus Joviale dieser Musik auch sehr willkommen.

Gil Shaham war der Solist im Vormittagskonzert am Sonntag (4.8.) im Großen Festspielhaus, ein Musiker mit einem ganz wunderbar leuchtkräftigen, süßlichen Geigenton, der aber nicht sehr wandelbar ist. Klangebenmaß und eine unbestechliche, lupenreine Technik machen den Rang dieses Geigers aus, und er ist deshalb gut eingesetzt in einem Werk, in dem der Komponist dem Solisten in den Rahmensätzen beständige Käferkrabbelei vorschreibt. Der Finalsatz, ein an Synkopen reicher, immer wieder urwüchsig, gar bärbeißig sich durchsetzender Walzer, wurde zu einer rechten Charme-Offensive. Was einem im langsamen Satz durch den Kopf gehen konnte: Die erst im Pizzicato der Streicher vorgestellte Spieluhrmelodie, die dann mannigfach umgefärbt die süßlich-meditativen Linien des Soloinstruments begleitet, wirkt heutzutage fast wie eine Vorwegnahme der Postmoderne. Einer deren Protagonisten in Russland, Alfred Schnittke, hat seinen Umgang mit tonalen Versatzstücken auch Werken wie diesem abgeschaut.

Vor und nach Prokofjew hörte man Musik, in der Yannick Nézet-Séguin seinem Temperament freien Lauf ließ, sprich: Das Knallen ist seine Sache. Entsprechend handfest ist zum Schluß Strauss' Rosenkavalier-Suite (Fassung von 1944) rübergekommen, als ein kompakter Ohrendurchputzer.

Aber das war ja gar nichts gegen die erste Konzerthälfte, mit der Ersten Symphonie von Jan Sibelius. Da wirkte die gesamte Wiedergabe so, als ob Yannick Nézet-Séguin seinen Hörern versichern hat wollen, dass es eh ganz anders kommt als die eröffnende Zwei-Minuten-Klarinettenmelodie, von Paukenwirbel begleitet, suggeriert: dass nämlich die imaginäre nordische Weitläufigkeit das symphonische Geschehen bestimmte. Das tut es in dieser Symphonie sowieso nicht, aber was Nézet-Séguin da umsetzte, indem er quasi von einem melodischen Aufrauschen zum nächsten trieb, machte denn doch gar viel Druck auf die Trommelfelle. Stimmt schon, es steckt viel an die Kitschgrenze rührendes Gefälliges in dem Werk. Man würde Sibelius vermutlich gerechter, wenn man das Publikum nicht mit der Nase gerade darauf stoßen würde, sondern den vielen Episoden, in denen die Musik beileibe nicht so geradlinig läuft, Raum gewährte und erhöhte gestalterische Aufmerksamkeit schenkte. Am Sonntagvormittag aber ging's für Sibelius, zack, zack, zack, von Fortissimo zu Fortissimo.

Bilder: SF / Marco Borrelli

 

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