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Medea schreit nach einem Theater

FESTSPIELE / DUSAPIN / MEDEAMATERIAL

29/07/19 Kollegienkirche. Finale der Ouverture spirituelle mitten in der Zeit mit Dusapin. Die Spiritualität des Musiktheaters Medeamaterial hält sich in Grenzen. Doch der zeitlose Mythos von der verlassenen Frau im fremden Land ist immer wieder aktuell. Auch in der kargen Version Heiner Müllers und Pascal Dusapins.

Von Gottfried Franz Kasparek

Der Dialogteil ist fast das Stenogramm eines Ehestreites im letzten Stadium oder in der Krise einer Beziehung“, so Heiner Müller über sein Stück, das eigentlich Teil einer Argonauten-Trilogie und in seiner herben, oft bruchstückhaften und dennoch gewaltigen Sprache typisch für das Werk des ostdeutschen Dramatikers ist. Pascal Dusapin hat das in seiner zweiten Oper als Nahezu-Monodrama vertont. Jason und die Amme tauschen nur am Ende und am Schluss auf, mit kargen Wortspenden aus dem Chor. Dazwischen versieht Medea ihr schreckliches Geschäft als Rachegöttin mit atemlosen Rezitationen, expressiven Aufschreien, die durch Mark und Bein gehen, aber manchmal sogar mit schlichten Liedformen. Jennifer France erfüllt diese extrem schwere Rolle mit Hingabe, scheinbar mühelosem Koloratursopran und auch entsprechend aussagekräftiger Mimik. So weit es konzertant möglich ist, spielt sie keine Furie, sondern einen zutiefst verletzten, in den Wahnsinn driftenden Menschen.

Pascal Dusapin ist kein Avantgardist irgendeiner strengen Schule, sondern ein phantasievoller Komponist, der sich seinen eigenen Reim aus Serialismus und Postmoderne gemacht hat. Seinen Vorbildern, Varése und Xenakis, folgt er keineswegs eklektisch. Die barbarische Wildheit von Medeas emotionalen Ausbrüchen wird kontrastiert durch äußerst sensible Orchesterklänge. Eher aus Verlegenheit komponierte Dusapin das Stück 1992 für die „Chapelle Royale“ Phlippe Herreweghes in Brüssel, da das Theaterorchester nicht zur Verfügung stand. So ist eine sehr reizvolle, modal konstruierte, sehr tonal wirkende Streicherpartitur entstanden, die in ihrer eigenartigen Eleganz durchaus an die französische Tradition denken lässt. Die Akademie für Alte Musik Berlin ist da mit Können und Gefühl dabei, wie auch das von Tobias Walenciak bestens studierte Vocalconsort Berlin. Am Pult steht der in jeder Beziehung kompetente Franck Ollu.

Woran mag es liegen, wenn diese ambitionierte und ohne Fehl und Tadel musizierte konzertante Aufführung am Samstag (28.7.) nur in manchen Momenten, die immer mit der famosen, so zarten wie energischen Jennifer France verbunden sind, wirklich unter die Haut geht? Liegt es an einer doch recht kunstgewerblichen Machart? Dagegen sprechen mehr als 25 erfolgreiche Produktionen seit der Uraufführung. Seltsam, dass der mystisch sein sollende Orgelton am Beginn eher wie eine Fortsetzung des Stimmens wirkt. Liegt es am Platz in der 19. Reihe? Trotz aller Akustiksegel im Gewölbe der Kollegienkirche wünscht man sich diesmal in ein Theater. Jenseits der Salzach wäre der Einakter in entsprechender Begleitung sehr willkommen. Denn dies ist effektvolle Bühnenmusik, die einen speziellen Raum zur Entfaltung benötigt. Dieser Raum kann die prachtvolle Kollegeinkirche leider nicht sein. Auf jeden Fall aber eine lohnende Begegnung, mündend in großem Beifall für die Protagonistin, die Kollektive und den anwesenden Komponisten.

Bilder: SF / Marco Borrelli

 

 

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